Mai 2006

Bärbel Bohley wurde am 24. Mai 1945 in Berlin geboren.

Ihre Mutter war Hausfrau, der Vater Konstrukteur. Seine Geschichten aus dem 2. Weltkrieg gaben ihr den Impuls, sich mit den Fragen von Krieg und Frieden auseinanderzusetzen und trugen wesentlich zu ihrer späteren pazifistischen Haltung bei. In Berlin besuchte sie die Grundschule und erhielt ihre ersten politischen Lektionen in der geteilten Stadt. Der 17.Juni und seine Folgen in der Familie - der Vater wurde arbeitslos, weil er als Neulehrer nicht der SED beitreten wollte -, ebenso der Ungarnaufstand 1956, der Freunde der Familie zwang in den Westen zu flüchten, wie überhaupt die ständige Flucht von Bekannten, Schulfreundinnen und Lehrern waren prägende Erlebnisse.

Nach dem Abitur 1963 absolviert Bärbel Bohley eine Ausbildung als Industriekauffrau und arbeitet als Einkäuferin bei VEB Starkstromanllagenbau, später im VEB Robotron in der Berufsausbildung.

Ab 1969 studiert sie an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee Malerei/Grafik, dort erhält sie 1974 einen Diplomabschluss. 1970 wird ihr Sohn Anselm geboren. Ab 1974 lebt Bärbel Bohley als freischaffende Künstlerin in Berlin. Sie beteiligt sich an Ausstellungen und hat Einzelausstellungen u.a. in Magdeburg, Berlin, Leipzig. 1980 erhält sie den Förderpreis des Staatlichen Kunsthandels der DDR.

Seit 1979 ist sie Mitglied der Sektionsleitung Malerei des Verbandes Bildender Künstler Berlin (VBK). Nachdem sie 1982 die unabhängige Initiativgruppe Frauen für den Frieden initiiert hat, wird sie ein Jahr später aus der Sektionsleitung ausgeschlossen.

Ab Mitte der 1980er Jahre setzt sich Bärbel Bohley verstärkt für die Durchsetzung grundlegender Rechte wie Meinungs-, Reise- und Versammlungsfreiheit ein und gründet die Initiative Frieden und Menschenrechte mit.

1983 wird sie wegen angeblicher "landesverräterischer Nachrichtenübermittlung" verhaftet und aufgrund internationaler Solidarität nach sechs Wochen aus der Haft entlassen. Seitdem erhält sie keine staatlichen Aufträge mehr, darf ihre Werke nicht mehr öffentlich ausstellen. Es besteht ein Reiseverbot.

1988 wird sie im Zusammenhang mit den Ereignissen um die Demonstration zum Jahrestag der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von der Staatssicherheit verhaftet und direkt aus dem Gefängnis Hohenschönhausen zu einem Zwangsaufenthalt über die Bundesrepublik nach England abgeschoben. Nach sechs Monaten erzwingt sie sich ihre Rückkehr in die DDR.

1989 ist Bärbel Bohley Mitverfasserin des Gründungsaufrufes "Die Zeit ist reif" der Bürgerbewegung Neues Forum, den innerhalb weniger Wochen von mehr als 250 000 Menschen unterschrieben haben. 1990 wird sie als Abgeordnete des Neuen Forum in die Ostberliner Stadtverordnetenversammlung gewählt.

1990 besetzt Bärbel Bohley, zusammen mit anderen Aktivisten, unter dem Motto "Die Akten gehören uns!" die Stasi-Zentrale in der Berliner Normannenstrasse. Diese Aktion führt letztendlich zur gesetzlich geregelten Einsicht in die Stasi-Unterlagen.

1992, nachdem Bärbel Bohley ihre Stasi-Akte eingesehen hat, beschuldigt sie den PDS-Fraktionschef im Bundestag, Gregor Gysi, der inoffiziellen Mitarbeit im MfS. Gysi war während ihrer Haft 1988 einer ihrer Rechtsanwälte. Durch eine Unterlassungsklage Gysis muss Bärbel Bohley im Falle einer Wiederholung der Behauptung bis zu 500 000 DM zahlen.

1994 tritt Bärbel Bohley als Spitzenkandidatin für das Neue Forum zur Europawahl an.

1995-1996 finden in der  Wohnung von Bärbel Bohley die sg. Montagsrunden statt, an den Intellektuelle aus West und Ost teilnahmen: Henryk M. Broder, Freimut Duve, Horst Sagert u.a. Diskutiert wurde vor allem, wie eine demokratische Entwicklung Ostdeutschlands unterstützt werden sollte, und wie zu verhindern ist, dass die sich neu formierenden alten DDR-Kader wieder das Leben anderer bestimmen.

1996 beteiligt sich Bärbel Bohley an der Gründung des Vereins  "Bürgerbuero e.V." in Berlin, dem sich unter anderem die Politiker Helmut Kohl, Rudolf Scharping, der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis (1927–1999), und der Schriftsteller Wolf Biermann anschlossen. Der Verein will denjenigen helfen, „die durch Willkürakte der DDR fortdauernd geschädigt sind“.

Seit 1996 lebt und arbeitet sie vorwiegend im ehemaligen Jugoslawien.

Von 1996 bis 1999 arbeitet sie im OHR (Office of The High Representative), der nach dem Dayton-Friedensabkommen von 1995 als obersten Souverän eingesetzte Internationalen Friedensbehörde für Bosnien-Herzegowina in Sarajevo. Sie organisiert ein Wiederaufbauprogramm für im Bosnienkrieg zerstörte Häuser "Die Dächer sind das Wichtigste" und den Zusammenschluss aller regionalen Flüchtlingsorganisationen in der "Koalition für Rückkehr".

Im Rahmen des Hilfsprojekts Seestern e.V. ermöglicht sie Kindern aus Flüchtlingsfamilien des ehemaligen Jugoslawiens kostenlose gemeinsame Sommerferien.

Im Jahr 2002 unterstützt sie die FDP im Wahlkampf zur Bundestagswahl, um eine rot-rote-Koalition zu verhindern, denn eine Anhängerin der FDP ist Bohley wegen Möllemann nicht. Rechnerisch hätte das Wahlergebnis das auch möglich gemacht. Aber die SPD entschied sich anders.

2006 organisiert Bärbel Bohley das Projekt "Zisternen" für die Versorgung Bedürftiger in Bosnien mit Trinkwasser als Voraussetzung zur Rückkehr aus den Flüchtlingslagern und  für die Normalisierung des Lebens.

Preise

Für ihre Verdienste um die friedliche Revolution in der DDR und die deutsche Wiedervereinigung wurde Bärbel Bohley mit dem Bundesverdienstkreuz (1994) und dem Nationalpreis (2000) ausgezeichnet.

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2008 Krebserkrankung und Rückkehr aus Kroatien nach Berlin.

2009 schreibt Bärbel Bohley zum 20. Jahrestag der Gründung des Neuen Forums den Beitrag Eine Bewegung erweist sich als erfolgreich, wenn sie zerfällt. Beginn der Projektarbeit Chronologische Recherche- und Quellensammlung - 1988 für eine Publikation über ihren 6-monatigen Zwangsaufenthalt im Westen und die geglückte Wiedereinreise in die DDR.

2010 stirbt Bärbel Bohley am 11. September in Gehren/Uckermark.