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Bericht über den Kinderaufenthalt 2004

Auch im Sommer 2004 führte der Verein e.V. Seestern wieder sein Ferienprojekt für Kriegskinder aus dem ehemaligen Jugoslawien durch. In der Zeit vom 12. Juni. bis 29. September 2004 verbrachten insgesamt 72 Kinder und Jugendliche einen Ferienaufenthalt im Rahmen unseres Projektes in Celina.

Die Finanzierung und Organisierung des Projektes in diesem Umfang war nur möglich, weil wir nicht nur von den Freunden des Vereins Spenden erhalten haben, sondern auch vom Kinderhilfswerk und durch die Weihnachtsspendenaktion des Tagesspiegels großzügig unterstützt worden sind.

Die Kinder und Jugendlichen waren in 8 Gruppen aufgeteilt und kamen in diesem Jahr aus Bosnien. Der Aufenthalt jeder Gruppe dauerte 9 Tage. Wir arbeiteten wieder mit der bosnischen Organisation "Bildung bauen B&H", zusammen, die den Transport der Kinder innerhalb Bosniens nach Sarajewo und von dort nach Celina organisierte und auch die Betreuer stellte. Als Gegenleistung nahmen wir zwei Gruppen Jugendlicher in unser Projekt auf.

In diesem Jahr war es erstmals notwendig, dass wir für die einzelnen Gruppen notariell beglaubigte Garantiebriefe ausstellen lassen mussten, denn es gibt ein neues Gesetz, nach dem jeder Bosnier 100 Euro pro Tag an der Grenze vorweisen muss, um in Kroatien einreisen zu können. Natürlich können das die wenigsten Menschen. Dieses neue Gesetz ist ein Beispiel dafür, dass noch lange keine Normalität zwischen den Völkern des alten Jugoslawien herrscht.

Zum Glück zwingt immer wieder die Realität zu pragmatischen Lösungen. Da sehr viel weniger Touristen aus Bosnien kamen, wurde das Gesetz kaum angewendet.

Leider mussten wir feststellen, dass es nach wie vor nicht selbstverständlich ist, dass die Gruppen multi-ethnisch zusammengesetzt sind. Vor allem haben muslimische Kinder in diesem Jahr bei uns Ferien gemacht. Deshalb werden wir im nächsten Jahr uns einen anderen Partner für die Zusammenarbeit suchen. Wahrscheinlich wird es sogar notwendig sein, dass wir mit verschiedenen Organisationen kooperieren, denn die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass alle Organisationen, selbst, wenn sie sich "multikulturell" nennen, diesem Anspruch nicht gerecht werden.

Trotzdem verbrachten die Kinder einen schönen Urlaub und hatten auch viele Kontakte zu hiesigen kroatischen Kindern, die wir oft zu unseren Unternehmungen eingeladen haben. Jede Gruppe machte eine Tagesfahrt mit dem Schiff zur Insel Brac, fuhr einen Nachmittag mit dem Boot in den Cetina Canyon und besichtigte das dortige Naturschutzgebiet. Außerdem gab es Fahrten nach Split, Makarska und Trogir. Die dortigen Sehenswürdigkeiten wurden besucht, wie z.B. das Muschelmuseum in Makarska oder der Hafen von Split.

Im Juni findet in Omis jährlich ein Festival der Volksmusik statt. Die ersten zwei Gruppen besuchten dies, mit den anderen verbrachten wir einen Abend in Omis, bewunderten beim Eisessen das abendliche Touristentreiben.

Ansonsten fuhren die Kinder am Vor- und Nachmittag ans Meer. Am Abend wurde gemalt, gebastelt oder sich sportlich betätigt. Neben den Fahrrädern, die wir im vergangenen Jahr erhalten haben, war in diesem Jahr ein neues Basketballnetz hoch beliebt.

In diesem Jahr gab es noch eine neue Attraktion, denn jede Gruppe ging fünfmal während ihres Aufenthaltes in Celina in die Gaststätte zum Mittagessen. Dies genossen die Kinder sichtlich, außerdem war es ein Schnellkurs im "guten Benehmen". Fast alle Kinder waren zum ersten Mal zum Mittagessen in einem Restaurant. Aber auch ich war sehr glücklich, denn so musste ich nicht mehr jeden Tag kochen und konnte die Kinder auf einigen Fahrten begleiten. Durch unsere besseren finanziellen Möglichkeiten konnte auch unsere Haushalthilfe mehr Stunden als in vergangenen Jahren arbeiten. Leider wurde unser Budget überschritten, weil mich ein Hund biss, so dass meine linke Hand fast drei Wochen nicht voll einsatzfähig war und wir eine ganztägige Hilfskraft engagieren mussten.

Ansonsten war ich wieder für die Küche und die kleinen Kinderleiden zuständig. Dazu gehören wie in jedem Sommer: Sonnenbrand, Mückenstiche Bauchschmerzen, Heimweh, und die Kabbeleien untereinander. Die großen Leiden gibt es natürlich auch. Jetzt, neun Jahre nach dem Krieg, hat die Mehrzahl der Mütter noch immer keinen Arbeitsplatz. Sie müssen oft mit mehreren Kindern von einer minimalen Witwenrente leben. Die Kinder waren zwischen 12 und 15 Jahren, sind also nicht mehr klein und anspruchslos. Sie sehen die Widersprüche in der Gesellschaft. Auf der einen Seite den Wohlstand derjenigen, die vom Krieg profitiert haben oder die noch eine intakte Familie und Arbeit haben, auf der anderen Seite stehen sie mit ihren Wünschen und Träumen.

In diesem Jahr gab es ein neues Problem. Einige Kinder hatten mehr Taschengeld als andere.

Auf Nachfragen stellte sich heraus, dass das Geld unter großen Opfern zusammengekratzt war. Alle waren glücklich, als wir beschlossen, dass sie kein Taschengeld brauchen, weil sie alles bekommen, was sie sich wünschen und sie das Geld wieder den Müttern zurückgeben können. Wieder hatten alle Kinder nur noch einen Elternteil oder gar keine Eltern mehr. Ihr Aufenthalt als Flüchtling in Drittländern verklärt sich inzwischen zu einem Aufenthalt im Paradies.

Bei fast allen muslimischen Kindern war zu beobachten, dass eine neue Indoktrination zu wirken beginnt und sie sich mehr und mehr als Muslime fühlen. Es zeigten sich weit stärkere religiöse Bindungen als in den letzten Jahren. In den früheren Jahren waren die Kinder offener für neue Eindrücke und Gedanken. Gegenwärtig machen sie sich weniger Gedanken über die Ursachen und Folgen des Krieges, ihr vorrangiges Interesse gilt materiellen Dingen. Sicher, sie sehnen sich nach den kleinen Freuden des Lebens und wollen ein bisschen mehr Normalität im Alltag erleben und nicht nur bei einem kleinen Ferienaufenthalt am Meer.

Wie oft haben die Kinder den Wunsch geäußert, wie schön es wäre, mal mit der Mutter und den Geschwistern am Meer zu sein. Eine Aufarbeitung ihrer Geschichte in der Schule und Familie findet kaum statt. Dies könnte im nächsten Jahr von uns verstärkt angeregt werden und zu einem Schwerpunkt unserer Arbeit werden.

Leider gab es in diesem Sommer keinen Besuch von unserem Verein aus Deutschland, denn Marianne Tietze, die uns in diesem Jahr helfen wollte, ist erkrankt und konnte deshalb nicht kommen. Dafür gab es zahlreiche Begegnungen mit unseren Sommergästen aus Deutschland und Holland. Ein Abend wird den Kindern besonders im Gedächtnis bleiben, denn der Studentenpfarrer Stephan Bickardt, der mit seinen drei Kindern in Celina war, diskutierte mit den Kindern über die verschiedenen Religionen.

Wir beabsichtigen, im nächsten Jahr Kinder von bosnischen Kroaten, die jetzt in Kroatien leben, und bosnische Kinder zusammenzuführen und werden über den Winter entsprechende Kontakte aufbauen.

Wir möchten noch einmal allen Helfer und Unterstützern innerhalb und außerhalb unseres Vereines danken. Dazu gehören neben den deutschen Spendern auch die Nachbarn, die ab und zu einen Korb Feigen oder Kirschen brachten. Dies möchte ich besonders erwähnen, weil es zeigt, dass unser Projekt inzwischen auch von unseren kroatischen Nachbarn akzeptiert wird..
Celina, den 15.10.04