Zeittafel 1945 – 2010

[Daten entnommen: »Englisches Tagebuch 1988«, 2. erweiterte Auflage 2011]

24. Mai 1945
Bärbel Brosius in Berlin geboren, Mutter Hausfrau, Vater Konstrukteur.

1948
Geburt des Bruders Ulrich.

1963
Nach dem Abitur Ausbildung als Industriekauffrau, Einkäuferin bei VEB Starkstromanlagenbau, später bei VEB Robotron in der Berufsausbildung.

1969
Aufnahme des Studiums der Malerei/Grafik an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee.

1969

1970
Sohn Anselm geboren, Heirat mit dem Theologen und Kunstmaler Dietrich Bohley. Der Bruder Ulrich Brosius wegen Staatsverleumdung zu zwei Jahren und zwei Monaten Gefängnis verurteilt.

1974
Diplomabschluss des Hochschulstudiums, lebt fortan als freischaffende Künstlerin in Berlin, Beteiligung an Ausstellungen, Einzelausstellungen u.a. in Magdeburg, Berlin, Leipzig.

ab 1975
Integration in die alternative Kulturszene, Lesungen, Ausstellungen, Diskussionen mit Schriftstellern, Künstlern, Oppositionellen in Privatwohnungen und Ateliers.

1976
Förderpreis des Staatlichen Kunsthandels der DDR: zweiwöchige Reise durch die Sowjetunion.

1977
Ehescheidung von Dietrich Bohley

1979
Studienreise für sieben Tage in die BRD, getragen vom Verband Bildender Künstler der DDR.

1980
Erste Begegnung mit Robert Havemann in Grünheide, fortan enge freundschaftliche Verbindung zu Katja und Robert Havemann, Kontakte zu Westjournalisten und ausgereisten ehemaligen DDR-Bürgern wie Jürgen Fuchs. Lernt Rechtsanwalt W. Schnur kennen, der Dietrich Bohley nach dessen Inhaftierung wegen Verweigerung des Reservistenwehrdienstes verteidigt.

7. April 1981
Lesung und Diskussion mit Robert Havemann über dessen Buch »Morgen« im Atelier von Bärbel Bohley.

Mai 1982
Westberliner Aufruf »Anstiftung der Frauen zum Frieden« in der DDR von Bärbel Bohley und Katja Havemann unterschrieben.

25. Juni 1982
Die Staatssicherheit eröffnet einem Operativen Vorgang mit dem Decknamen »Bohle«, in dem Bärbel Bohley fortan »bearbeitet« wird.

12. Oktober 1982
Initiatorin einer Eingabe an E. Honecker, die 150 Frauen aus der ganzen DDR unterschreiben, gemeinsam mit Katja Havemann und Ulrike Poppe und vier weiteren Frauen, Gründung der Ostberliner Initiativgruppe »Frauen für den Frieden«.

Februar 1983
Der 1. Sachstandsbericht zum OV »Bohle« vermerkt den Vollzug des Ausschlusses von Bärbel Bohley aus der Berliner Sektionsleitung Malerei des Verbands Bildender Künstler, der sie seit 1979 angehörte.

6. August 1983
Brief an Petra Kelly: Einladung zum Meinungsaustausch in der DDR mit den »Frauen für den Frieden«.

1. November 1983
Treffen der Initiativgruppe Frauen für den Frieden mit Petra Kelly u. a. in der Wohnung von Bärbel Bohley.

12. Dezember 1983
Erste Verhaftung wegen angeblicher »landesverräterischer Nachrichtenübermittlung«, grenzüberschreitender Kontakte, insbesondere in die Bundesrepublik, nach Westberlin und Westeuropa.

Aufgenommen im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen 1983
Aufgenommen im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen 1983

24. Januar 1984
Aufgrund internationaler Solidarität nach sechs Wochen aus Stasi-Untersuchungshaft ohne Prozess in die DDR entlassen.

ab 1984
Keine staatlichen Aufträge mehr, Austellungsverbot, Reiseverbot nach Ost und West.

1985
Mitgründerin der Oppositionsgruppe »Initiative für Frieden und Menschenrechte«, verstärkte Hinwendung zur Durchsetzung von Grundrechten wie Meinungs-, Reise- und Versammlungsfreiheit in der DDR.

Juli 1987
Das MfS stuft Bärbel Bohley als »Hauptakteurin mit Vertrauensstellung« und »Symbolfigur« ein: »Es ist ein Rahmenprogramm von Maßnahmen einzuleiten, in deren Folge der Bohley staatlicherseits politisch und politisch-operativ vertretbare Zugeständnisse entgegengebracht werden. Erreicht werden soll die Bohley zu korrumpieren, ihre Glaubwürdigkeit unter den Exponenten des PUT[1] zu erschüttern, gegen sie gerichtete Zwiespalt hervorzurufen, eine indirekte Disziplinierung anzustreben.«

September 1987
Bärbel Bohley lässt von ihrer Freundin Petra Kelly dem SED-Generalsekretär Honecker bei dessen BRD-Besuch ihre Grafik Niemandsland überreichen – mit der Widmung, Veränderungen der Verhältnisse in der DDR zuzulassen.

Grafik Niemandsland von Bärbel Bohley 1987
Grafik Niemandsland von Bärbel Bohley 1987

6. November 1987
Nach Jahren des Verbots kann eine Ausstellung mit künstlerischen Arbeiten von Bärbel Bohley in Leipzig eröffnet werden.

26. November 1987
Wohnungsdurchsuchung bei Bärbel Bohley nach Durchsuchung der Berliner Umweltbibliothek am Vortag.

8. Dezember 1987
Interview mit Bärbel Bohley auf der Ost-Seite der Westberliner taz, unter der Überschrift »Alte Betonköpfe gegen Neues Denken«. Sie äußert sich über die Situation von unabhängigen Gruppen in der DDR nach dem staatlichen Zugriff in der Umweltbibliothek.

25. Januar 1988
Zweite Inhaftierung im Zusammenhang mit den Ereignissen um die Demonstration am Gedenktag der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.

5. Februar 1988
Abschiebung mit DDR-Reisepass direkt aus dem Gefängnis in den Westen.

3. August 1988
Rückkehr über Prag in die DDR.

17. September 1988
Wiedereinreisefest im Atelier von Bärbel Bohley, fast die gesamte Oppositionsszene kommt zur Begrüßung.

Bärbel Bohley beim Wiedereinreisefest in ihrem Atelier 1988
Bärbel Bohley beim Wiedereinreisefest in ihrem Atelier 1988

Februar 1989 bis August 1989
Arbeit an der Samisdat-Publikation: »40 Jahre DDR …und die Bürger melden sich zu Wort«, erscheint als Buchausgabe im November 1989 bei der Büchergilde Gutenberg und Hanser-Verlag.

11. September 1989
Veröffentlichung des Aufrufs zur Gründung der Bürgerbewegung Neues Forum, maßgeblich durch Bärbel Bohley initiiert, den innerhalb weniger Wochen mehr als 250 000 Menschen unterschreiben.

Januar 1990
Mitarbeit, später Mitherausgeberin der Wochenzeitung Die Andere, die bis August 1992 erscheint.

Mai bis Dezember 1990
Abgeordnete des Neuen Forum in der neugewählten Ostberliner Stadtverordnetenversammlung.

September 1990
Initiiert die Besetzung der Stasi-Zentrale in der Berliner Normannenstraße unter dem Motto »Die Akten gehören uns!«. Diese Aktion führt letztlich zur gesetzlich geregelten Einsicht in die Stasi-Unterlagen.

August 1990
Initiatorin des Runden Tisches von unten, der bis 1992 zusammentrat.

Juni bis August 1993
Engagiert sich für den Arbeitskampf und die Werksbesetzung der Kali-Bergleute in Bischofferode (Mai bis Dezember 1993), mehrere Beratungen mit dem Betriebsrat; zieht sich dann zurück.

1991 bis 1995
Mitarbeiterin der »Parlamentarischen Gruppe Neues Forum/Bürgerbewegung« im Abgeordnetenhaus von Berlin.

Juni 1994
Spitzenkandidatin für das Neue Forum zur Europawahl.

BB-konv.1994

Dezember 1994
Fordert öffentlich zur Auflösung des Neuen Forums auf, harsche Kritik aus den eigenen Reihen.

August 1995
Im Atelier von Bärbel Bohley treffen Bürgerrechtler Bundeskanzler Kohl

1995
Bundesverdienstkreuz

1995 bis 1996
In der Wohnung von Bärbel Bohley finden die »Montagsrunden« statt, an denen Intellektuelle aus West und Ost teilnehmen.

1996
Beteiligung an der Gründung des Vereins »Bürgerbuero e.V.« in Berlin. Der Verein will Personen helfen, »die durch Willkürakte der DDR fortdauernd geschädigt sind«.

1996 bis 1999
Arbeit im OHR[2], der nach dem Dayton-Friedensabkommen von 1995 eingesetzten internationalen Behörde für Bosnien-Herzegowina in Sarajevo; organisiert Wiederaufbauarbeiten für im Bosnienkrieg zerstörte Häuser und engagiert sich für den Zusammenschluss aller regionalen Flüchtlingsorganisationen in der »Koalition für Rückkehr«.

1997
Buchpublikation Die Dächer sind das wichtigste. Mein Bosnien-Tagebuch, erscheint im Ullstein-Verlag.

1998
Buchpublikation, gemeinsam mit E.Neubert: Wir mischen uns ein.

1999
Heirat in Sarajevo mit Dragan Lukic.

1999 bis 2008
Durch den von ihr gegründeten Verein Morsca Zvjiezda (Seestern), ermöglicht sie Kindern aus Flüchtlingsfamilien und Kriegswaisen kostenlose Sommerferien in ihrem Haus in Kroatien.

2000
Nationalpreis der Deutschen Nationalstiftung, Hamburg, gemeinsam mit den Erstunterzeichnern des Gründungsaufrufs des Neuen Forums.

2005
Buchpublikation gemeinsam mit G.Praschl und R. Rosenthal: Mut- Frauen in der DDR bei F.A. Herbig München.

2006 bis 2007
Organisatorin von zwei »Zisternen-Projekten« für die Versorgung bedürftiger Familien[3] mit Trinkwasser in Bosnien.

2008
In Berlin Krebserkrankung festgestellt. Rückkehr aus Kroatien nach Berlin.

2009
Schreibt zum 20. Jahrestag der Gründung des Neuen Forums den Text Eine Bewegung erweist sich als erfolgreich, wenn sie zerfällt.

11. September 2010
Gestorben in Gehren/Uckermark.

 

 

[1] Kürzel für: Politische Untergrundtätigkeit.
[2] Office of The High Representative
[3] Insgesamt wurden mehr als 600 Menschen mit Wasser versorgt.