Englisches Tagebuch 1988

Tagebuch-S.25

Von Bärbel Bohley

Aus dem Nachlass herausgegeben von Irena Kukutz.
Mit einem Nachbericht von Klaus Wolfram.

BasisDruck Verlag 2011

 


Aus dem Vorwort:

Im August 1988 kehrte Bärbel Bohley aus London kommend nach Ostberlin zurück. Eine ganz besondere Reise hatte ihr Ende gefunden. Sechs Monate Zwangsaufenthalt im Westen lagen hinter ihr. Nur wenige hatten diese Rückkehr für möglich gehalten, obwohl Bärbel Bohley mit einem DDR-Reisepass unterwegs war, den man ihr im Gefängnis ausgestellt hatte. Kein Zweifel, man wollte die Unbequeme für immer loswerden. Nicht an ihrem Willen zur Heimkehr hatten wir, ihre Weggefährten, seinerzeit gezweifelt, wohl aber an der Möglichkeit, dass die Machthabenden ihre Versprechen zur Wiedereinreise einhalten würden. Im Gepäck hatte Bärbel bei ihrer Rückkehr mehr als nur ihre Tagebuch-Aufzeichnungen. Das sollte sich schon ein Jahr später eindrucksvoll zeigen, als sie das Gesicht und die Stimme der Revolution vom Herbst 1989 wurde.

Diese Geschichte eines Rauswurfs aus der DDR erzählt einiges über das Ost-West-Verhältnis an der Schwelle zu einer neuen Ära, aber noch mehr über das bewegende Leben einer Frau, die bereits seit Anfang der 1980er Jahre eine herausragende Rolle innerhalb der Oppositionsszene im Osten Deutschlands spielte. Im Leben von Bärbel hatten jedoch gerade jene Geschehnisse von 1988 einen besonderen Stellenwert. Diese sechs Monate waren in mehrfacher Hinsicht eine Zäsur für sie. Die erzwungene Ausreise direkt aus dem Stasi-Untersuchungsgefängnis Hohenschönhausen in die Bundesrepublik und nach England, der verzweifelte Kampf um die Wiedereinreise war ein Schlüsselerlebnis, das ihr wichtige Einsichten ermöglichte – es blieb aber auch ein Trauma, das seine Nachwirkungen bis in ihre letzten Lebensjahre nicht verloren hatte. Was für andere und auch für sie selbst erst einmal wie ein Sieg ausgesehen hatte – die durchgesetzte Rückkehr in die DDR –, blieb verbunden mit einer ihrer größten Niederlagen. Nicht vorher und nicht nachher hatte sie sich je so schwach und wehrlos gefühlt, ausgeliefert an undurchschaubare Mächte, nur noch wie ein Spielball umhergestoßen. […]


Rezension

Retrospektiven auf die Friedliche Revolution
von Karl Wilhelm Fricke, Köln, in Deutschlandarchiv 45 (2012) 1

Authentische Tagebücher und andere autobiografische Zeugnisse von Bürgerrechtlern, Oppositionellen und Widerständlern der DDR aus der Zeit vor 1989 sind ebenso selten wie wertvoll. […] Ein typisches Beispiel: Bärbel Bohleys »Englisches Tagebuch 1988«, dessen Manuskript die Berliner Bürgerrechtlerin und Pazifistin im Gepäck hatte, als sie aus dem Zwangsexil in London heimkehrte nach Ost-Berlin. Sie konnte es vor dem Zugriff der Geheimpolizei bewahren. Die erste Eintragung datiert vom 13. Februar, die letzte vom 3. August. Sieben Monate später hatte sie ihre handschriftlichen Aufzeichnungen mit der Schreibmaschine übertragen und durch andere Zeitdokumente sowie durch ein Nachwort ergänzt. Irena Kukutz, eine ihrer politischen Weggefährtinnen, hat sie gemeinsam mit Klaus Wolfram mit empathischer Sorgfalt bearbeitet und posthum publiziert. Entstanden ist eine in politischer wie persönlicher Beziehung aufschlussreiche Edition, die Auskünfte über Bärbel Bohley erteilt, über ihr Denken und Fühlen, über ihren klaren analytischen Verstand und ihre regimekritische Sensibilität, über ihren Freundeskreis und ihre Netzwerke im bürgerlichen Milieu, speziell auch über die traumatische Erfahrung ihrer Untersuchungshaft im Stasi-Gefängnis Berlin -Hohenschönhausen […]

Bärbel Bohley vor ihrer Zellentür im Stasi-Knast Hohenschönhausen 1990
Bärbel Bohley vor ihrer Zellentür im Stasi-Knast Hohenschönhausen 1990

Kritische Anmerkungen von Irena Kukutz
→Der Rauswurf, RBB-Doku