Bärbel Bohley, geboren am 24. Mai 1945, wuchs in Ost-Berlin auf. Nach ihrem Abitur 1963 war sie zunächst als Bürohilfskraft, später als Industriekaufmann beim VEB Starkstromanlagenbau Berlin tätig. Ab 1969 studierte sie an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee Malerei. 1970 wird ihr Sohn Anselm geboren. Seit 1974 ist sie freischaffende Künstlerin in der DDR. Ihre Bilder werden damals u.a. auch in der Bundesrepublik und in verschiedenen Städten der DDR ausgestellt. 1982 ist sie Gründungsinitiatorin der „Frauen für den Frieden“, einer der ersten außerkirchlichen Oppositionsgruppen in der DDR. Mit friedlichen Aktionen, Protestpublikationen, Interviews mit West-Medien streitet sie seitdem für Meinungsfreiheit und Abrüstung in der DDR und gegen die SED-Diktatur. Beruflich und privat vielen Schikanen ausgesetzt, sitzt sie 1982/83 deshalb auch erstmals in Haft. Im Januar 1988 wird sie im Rahmen einer großangelegten Aktion der DDR-Staatssicherheit gegen Oppositionelle erneut verhaftet und wenig später in den Westen abgeschoben. Doch im August desselben Jahres kehrt sie zurück. Als Initiatorin des „Neuen Forums“, das im Wendeherbst 1989 zur Massenbewegung wächst, wird sie in den Wochen der friedlichen Revolution in der DDR zur Symbolfigur der DDR-Opposition.

Für ihre Verdienste seitdem u.a mit dem Bundesverdienstkreuz (1994) und dem Nationalpreis (2000) ausgezeichnet, engagiert sie sich seit 1996 unter anderem auf dem Balkan. Von 1996 bis 1999 leitete sie dort für die Internationale Friedensbehörde für Bosnien-Herzegowina OHR in Sarajevo ein Wiederaufbauprogramm für im Bosnienkrieg zerstörte Häuser und organisierte die Rückkehr von Kriegsflüchtlingen in ihre Heimat. Sie lebt heute an in der Nähe von Split.



Bärbel Bohley, geboren 1945 in Berlin

Wir wollten schlau sein wie die Schlangen

Der Zweite Weltkrieg war gerade zwei Wochen beendet, als ich im Mai 1945 in den Ruinen Berlins geboren wurde. Wir Kinder, mein Bruder Ulrich wurde drei Jahre später geboren, wuchsen in dem riesigen Trümmerfeld auf. Am berühmten Spreebogen, fast neben dem heutigen Bundestag und dem Bundeskanzleramt waren meine Spielplätze. Meine Eltern waren bescheidene Leute, die sich große Mühe gaben, die Familie „durchzubringen“. Meine Mutter, eine Protestantin aus Thüringen, war von den Großeltern erzogen worden. Mein Vater wuchs in einem katholischen Kinderheim bei Oldenburg auf und kam 1926 nach Berlin. Da er durch die Missbildung einer Hand kriegsuntauglich war, arbeitete er bis Kriegsende bei der AEG als Konstrukteur. In unserer Familie hatte es nur einen Künstler gegeben. Mein Großvater väterlicherseits, ein Wiener, malte. Er ist im Ersten Weltkrieg vor Belgrad gefallen. Obwohl ich evangelisch getauft worden war, später die Christenlehre besuchte und auch kirchlich geheiratet habe, hatten mich meine Eltern nicht besonders religiös erzogen. Ihre unterschiedliche Religionszugehörigkeit ist vielleicht ein Grund für meine Distanz zur Institution Kirche. Meine Eltern waren aber ganz und gar auf die Familie konzentriert und alle Entscheidungen wurden nach ihrem Wert für diese abgewogen.

Das Leben in der zerstörten Stadt und die vielen Geschichten, die erzählt wurden, wenn die Familie zusammenkam, begleiteten und prägten mich. Diese Geschichten sind Teil meines Lebens geworden. Ich konnte sie bis heute nicht vergessen. Neulich hatte ich in der Landesvertretung Sachsen-Anhalts in Berlin. zu tun. Im Nachbarhaus haben meine Eltern das Kriegsende überlebt. In diesem Haus hat heute ein Italiener seine Zelte aufgeschlagen. Nach der Veranstaltung tranken wir dort ein Glas Wein. In diesen Räumen befand sich früher eine Apotheke, auf der anderen Seite des Hauseingangs war ein HO Laden, an den ich mich auch noch erinnere, weil wir dort nur selten etwas kaufen konnten wegen der enormen Preise. Im Keller der Apotheke, in dem ich fünfzig Jahre später Wein trank, hatten sich die Bewohner des Hauses vor den Bombenangriffen verkrochen und die letzten Tage des Krieges erlebt. Die Russen beschossen fast acht Tage vom Robert-Koch-Platz her die Reichskanzlei. Mein Vater erzählte, dass am Tag der Kapitulation ein Wehrmachtsoffizier, der sich auch in diesem Keller versteckt hatte, grüßend in „neuem“ Zivil an seinen jungen Soldaten vorbei ging, die unter der benachbarten S-Bahnbrücke exekutiert wurden. In diesem Keller hatte sich die Apothekerin aus Angst vor den Russen das Leben genommen. Die Geschichten über Krieg, Gewalt, Hunger, Kälte, Vergewaltigung und meine Kindheit zwischen den Ruinen als stille Zeugen der Unmenschlichkeit sind durch nichts verdrängt worden. Heute kann ich an einem dieser Orte persönlicher Geschichte in einer gepflegten Gaststätte italienischen Wein trinken und über die kurvenreichen Wege des Lebens grübeln. Jeder Ort meiner Kindheit hat sich verwandelt und meine Erinnerung gräbt sich durch abgelagerte Schichten. So fällt mir ein, dass sich in der heutigen Landesvertretung Sachsen-Anhalts der DDR-Künstlerclub „Die Möwe“ befand. Veranstaltungskarten waren heiß begehrt. Exterritoriales Terrain war auch die Möwe nicht, trotz des Hauches von Freiheit und Luxus. Viele Künstler und Intellektuelle, die dort aus- und eingegangen sind, wählten nach der Ausbürgerung des DDR-Liedermachers Wolf Biermann im Jahr 1976 den Weg in den Westen.

1971 habe ich als Studentin der Malerei an der vormilitärischen Ausbildung teilnehmen müssen. Das Ausbildungslager befand sich in der Nähe Berlins. Eine Bungalowsiedlung, in der sich im Sommer Urlauber tummelten, wurde zu einem Wehrertüchtigungslager für etwa 200 junge Frauen, die an Berliner Kunsthochschulen studierten. Mein Sohn war damals ein Jahr alt und wurde von meiner Schwiegermutter versorgt. Ihr Mann war in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges in Halle gefallen. Sie war eine der tapfersten Frauen, die ich kannte. Sie zog allein ihre sieben Söhne groß, brachte ihnen Zivilcourage und eigenes Denken bei. Alle, auch der Vater meines Sohnes, haben den aktiven Wehrdienst verweigert. Als Pazifistin weigerte ich mich ebenfalls, an den Schießübungen während der Ausbildung teilzunehmen. Das hatte damals noch keine besonderen Konsequenzen. Ich wurde einer Gruppe von etwa fünfzehn jungen Frauen zugeordnet, die schwanger, krank oder aus anderen Gründen „wehruntauglich“ waren. Wir mussten die „Opfer eines Atomschlages“ spielen. Dazu wurden wir von Maskenbildnern mit fürchterlichen Wunden ausgestattet, irgendwo in den Wald gelegt und warteten bis uns ein „Sanitäter“ fand, um uns „medizinisch“ zu versorgen. Der milde Spätsommer verlockte zum Träumen. Beim Warten auf die „Sanitäter“ verging so manche Stunde. Da lag ich nun im Wald, das Licht war sanft, man konnte durch das goldene Herbstlaub den blassblauen Himmel sehen und sich seinen Gedanken überlassen.

Meine Kindheit in den Trümmern von Berlin

Mir fielen die Bilder meiner Kindheit ein: Der zerbombte Reichstag im abgeholzten Tiergarten, die Ruinen der Kroll-Oper und die ehemaligen Botschaften, in denen wir Höhlen bauten. Die Reste der Reichskanzlei, in denen ich meine erste Zigarette aus Klopapier und Pfefferminztee rauchte, die zerstörten Ufer der Spree, in der wir badeten und Krebse fingen. Das war zwar alles verboten, aber wer konnte uns schon kontrollieren. Die Eltern waren mit Hamstern und Organisieren beschäftigt. Ich erinnerte mich an die Russen, die als Sieger gekommen waren und dann jahrelang am Russendenkmal im Tiergarten zwei russische Panzer bewachen mussten. Sie schauten mit zernarbten Gesichtern, traurigen Augen und goldenen Zähnen durch die Gitter der Wachhäuschen. Die Sieger hatten keinen Ausgang, sie konnten sich nicht frei bewegen. Dafür sangen und träumten sie vom Baikalsee. Das Sprechen war ihnen selbst mit uns Kindern verboten. Aber wir taten es doch. Mir fielen die zwergenhaften alten Frauen in ihren dunklen Kleidern ein, die der Krieg von Ostpreußen bis in die Keller unseres Hauses getrieben hatte. Wenn sie mit mir reden wollten, verstand ich ihre fremde Sprache nicht. Sie waren mir unheimlich wie die Krähen im Tiergarten. Eine nach der anderen holte der Tod, der gewiss genauso unbarmherzig und einsam war wie im Winter 1944/45 auf den Landstraßen von Ostpreußen nach Deutschland. Ich dachte an die Kriegsversehrten, die das Berlin meiner Kindheit bevölkerten, an ihre schweren Rollstühle, die schon fast Särgen glichen. Auch einigen meiner Lehrer fehlten Arme oder Beine. Mein Deutschlehrer verteilte mit seiner Handprothese derbe Kopfnüsse, die jedoch bei den großen vernachlässigten Jungen, die oft vielfache Sitzenbleiber waren, wirkungslos blieben. Meine Schulkameraden sind fast alle als „Schlüsselkinder“ und ohne Vater aufgewachsen. Die Mütter mussten nach dem „Umsturz“ das Leben bewältigen und den Schutt wegräumen.

Als ich mit meinen angemalten Verletzungen im Gras lag, war das alles gerade 25 Jahre her. Und nun sollte ich mich schon wieder auf den nächsten „Ernstfall“ vorbereiten. Dazwischen lagen mein Leben und viel Weltgeschichte, in der auch fast immer Berlin eine Rolle gespielt hatte. Es gab nie Grund in der geteilten Stadt, die Furcht vor einem neuen Krieg zu verlieren. Ich kannte Berlin nur als geteilte Stadt. Bis 1961 ohne Mauer und danach mit der Mauer. Aber geteilt war sie immer. Bis 1961 wurden die Grenzübergangsstellen und die S-Bahnen von der kasernierten Volkspolizei kontrolliert. Ein Teil unserer Bekannten arbeitete in West-Berlin. Sie wurden Grenzgänger genannt. Was man im Osten nicht kaufen konnte, wurde bis 1961 im Westen besorgt. Für eine Westmark musste man vier Ostmark geben. Das war sehr viel Geld, also wurde nicht viel gekauft. Zu Weihnachten Rosinen, manchmal Kaffee, alles wurde unter der Gefahr der Beschlagnahmung im Kinderwagen meines Bruders von West nach Ost transportiert. Ab und zu gingen wir ins Museum oder Kino; der Eintritt war für Ostler ermäßigt, wenn man einen Abschnitt der Lebensmittelkarte vorzeigen konnte. Die Flucht war noch einfach. Man stieg im Osten in die S-Bahn und im Westen wieder aus. Aber man musste alles zurücklassen. Auch meine Eltern hatten nach dem Aufstand am 17.Juni 1953 erwogen in den Westen „zu gehen“. Die Panzer rollten durch Berlin. Es gab Tote, Verletzte, Verhaftungen, abendliche Ausgangssperren und nicht mehr als drei Leute durften zusammen auf der Straße stehen. Bekannte meiner Eltern verschwanden nach West-Berlin. Mein kleiner Bruder war in Bad Kösen zur Kur. Die Eltern waren in Panik, hatten Angst vor einem neuen Krieg und fürchteten, dass mein Bruder in den Wirren verloren gehen könnte. Mein Vater war bereits aus dem Lehrerdienst entlassen, weil er nicht in die SED eintreten wollte. Später war es sein ganzer Stolz, nie in einer Partei gewesen zu sein. Während dieser Zeit wurde zu Hause besonders heftig diskutiert, nachts, flüsternd, ob wir in den Westen gehen sollten oder nicht. Die Lebensumstände in den überfüllten Flüchtlingslagern und die Tatsache, dass sie „alles“ zurücklassen mussten, selbst die winzige Wohnung mit Außentoilette, hielt meine Eltern davon ab, sich am Bahnhof Friedrichstraße in die S-Bahn zu setzen und am Bahnhof Zoo wieder auszusteigen.
Während des Ungarnaufstandes 1956 stand selbst für mich als Elfjährige der Krieg vor der Tür. Mein Vater hörte immer heimlich RIAS. Fast täglich erlebten wir neue Wechselbäder für die Psyche - Angst, Hoffnung, Angst. Der Sohn einer befreundeten Ungarin, der an der Humboldt-Universität studierte, flüchtete bei Nacht und Nebel nach Westberlin, weil er mit anderen Studenten Flugblätter verteilt hatte und mit seiner Verhaftung zu rechnen war.




Mein Zeugnis mit 18: „Bärbel ist bockig“

Dann kam der Mauerbau 1961. Damals war ich sechzehn Jahre alt. Im Elternhaus bin ich weder antikommunistisch noch proamerikanisch erzogen worden. „Gute und schlechte Menschen gibt es überall, du musst deinen Weg finden“, das war die Devise. Und die Geschichten des Vaters über die Zeit vor und nach 1945 waren eine ganz eigene Art politischer Bildung. Mich beeindruckte als Kind immer sehr, dass die Kriegsgefangenen, die für die AEG arbeiten mussten, während der Luftangriffe nicht in den Luftschutzkeller durften. Ich wusste, wie sich die Russen in Berlin verhalten hatten, dass sie viele Frauen vergewaltigten. Ich wusste, dass der Vater meiner Cousine nach dem Krieg in dem Konzentrationslager Sachsenhausen umgekommen ist, nur weil jemand die Wohnung seiner Familie haben wollte. Ich wusste, dass mit der Vereinigung von SPD und KPD nicht alle Genossen einverstanden waren, mein Onkel Hugo zum Beispiel nicht. Ich kannte die Verachtung meiner Eltern für die Mitläufer vor und nach 1945, es waren oft dieselben. Es gab keine Geheimnisse in unserer Familie. Vielleicht wurde nicht über alles gesprochen, aber wenn ich eine Antwort wollte, bekam ich sie.

Im Sommer 61 verdiente ich mir als Helferin in einem Kinderferienlager ein wenig Taschengeld. Als ich zurückkam, stand die Mauer. Ich wollte damals glauben, dass die Mauer notwendig sei, um den Sozialismus aufzubauen. Feinde, Saboteure und Diversanten waren ausgesperrt, jetzt kommt die Freiheit. Keine meiner Freundinnen würde mehr in den Westen abhauen und mich auf meiner Schulbank allein lassen. Leider würden auch die Russischlehrer bleiben.
Dann begriff ich, dass die Mauer nach innen gerichtet war. Sie verhinderte, dass ich lesen konnte was ich wollte, dass ich mir Filme mit dem Gütezeichen „besonders wertvoll“ ansehen konnte, dass der Tiergarten und meine alte Nenntante unerreichbar wurden. Die Mauer wurde gebraucht, um zu bestimmen mit welchen Hosen ich in die Schule zu gehen, welche Frisur und Brille ich zu tragen, welche Musik ich zu hören und was ich zu denken hatte. Die Mauer wurde gebraucht, um mich zu kneten und die Gesellschaft in den Griff zu bekommen. Zum Glück gibt es die Pubertät! Auf meinem Abiturzeugnis steht „Bärbel ist bockig“.


Mit Prag 1968 starb mein Glaube an den Sozialismus

Ich wollte nicht von der Schulbank in ein Studium flüchten, zumal ich gar nicht genau wusste, was ich studieren wollte. Am liebsten hätte ich Malerei studiert, aber das war für meine Eltern wie eine Reise zum Mond. Also wollte ich erst einmal unabhängig sein. Eine eigene Wohnung haben, eigenes Geld verdienen, durch verschiedene Tätigkeiten in der sozialistischen Produktion. Dabei machte ich viele unbezahlbare Erfahrungen. Vor allem aber die, dass der Sozialismus selbst die Wirtschaft nicht leben ließ und dass für das wenige, das erreicht wurde, der Preis zu hoch war. Auf den Großbaustellen des Sozialismus – Vetschau, Lübbenau, Schwedt – sah ich, wie schlecht die Menschen lebten und wie schwer sie arbeiteten. Warum das keine Ausbeutung sein sollte, verstand ich nicht. Meine Arbeit machte mir dennoch Spaß, trotz der für meine Generation schon fast üblichen Begleiterscheinungen wie Mitgliedschaft im FDGB und dem „Kampf“ um den Titel „Sozialistische Brigade“. Um vier war der Arbeitstag zu Ende und das Leben begann.


Für eine Abiturientin war es ungewöhnlich, wenn sie nicht nach der Schule studierte, sondern arbeitete. Gleichzeitig eröffnete das Abitur Chancen für eine schnelle berufliche Entwicklung. Auf dem zweiten Bildungsweg machte ich meinen Abschluss als Industriekaufmann und durch ein Zusatzstudium eine pädagogische Ausbildung, so dass ich selbst Industriekaufleute ausbilden konnte. Mit 21 Jahren hatte ich eine Berufsausbildung, war finanziell unabhängig und eine berufliche Karriere lag vor mir. Die Unterstützung, die ich erhielt, war nicht selbstverständlich, aber ich hatte das „Glück“, dass zu dieser Zeit die Partei beschlossen hatte, besonders Mädchen und Frauen zu fördern.

Eine wichtige politische Erfahrung bedeutet mir 1968. Seit dieser Zeit habe ich nicht mehr an die Reformierbarkeit des Sozialismus geglaubt. Mit der Zerschlagung des Prager Frühlings gingen für viele Menschen politische Hoffnungen zu Bruch. Vor den Ereignissen in der Tschechoslowakei hatte es interessante Streitgespräche über die Reformierbarkeit des Sozialismus gegeben. Unter meinen Bekannten gab es einige SED-Mitglieder. Ein häufiges Argument für ihre Mitgliedschaft war, dass man die SED von innen heraus verändern müsse. Mit der Zerschlagung des Prager Frühlings bekam auch mein damaliger Freundeskreis Risse. Viele meiner Freunde, auch einige Kandidaten der SED, sind in den folgenden Jahren aus Enttäuschung in den Westen gegangen.
Nach 1968 sah die Zukunft ziemlich alternativlos aus. Die Mauer stand fester als vorher. Sie würde sich nicht in Luft auflösen. Entweder man versuchte abzuhauen oder im Osten ein Leben zu führen, in dem man sich nicht zu sehr verbiegen musste. Ich glaubte das letztere am besten in der Kunst verwirklichen zu können. Als ich mich um einen der wenigen Studienplätze für Malerei bewarb, schrieben befreundete Maler eine Beurteilung für mich. Ich war empört, weil sie mich als naiv einschätzten. Ihre Begründung aber war einleuchtend. „Meinst du, sie wollen Studenten, die nicht mehr formbar sind?“

Ab 1969 studierte ich Malerei. An der Kunsthochschule wurde politischer Druck ausgeübt, der manchmal größer als in Betrieben und anderen Einrichtungen war. Trotzdem gelang es auch hier immer wieder, sich den Ansprüchen der SED zu entziehen. Menschen, die es bis in staatliche Institutionen wie Kunsthochschulen oder Künstlerverbände gebracht hatten, wurde etwas Originalität zugestanden, sie galten als ein „eigenes Völkchen“. Rigide Methoden, um die Künstler anzupassen, gab es trotzdem mehr als genug. Die Militärübungen in diesem Bungalowdorf 1971 dienten auch diesem Zweck. Obendrein fühlten wir uns verdummt. Bei einem Atomschlag in den Rinnstein legen, Füße zum Wirkungsherd, Aktentasche auf den Kopf, und alles ging weiter wie zuvor. Durch die Brille der Politoffiziere gesehen, die uns den theoretischen und ideologischen Unterricht in der vormilitärischen Ausbildung erteilten, stand außer Frage, dass der Sozialismus siegen würde. Wir sollten nur zu seiner Verteidigung bereit sein. Wer ihn nicht verteidigen wollte, war ein Feind des Sozialismus. Für pazifistische Haltungen gab es keinen Platz. Das Freund-Feind-Denken und die Lagermentalität auf beiden Seiten der Mauer entwickelten sich besonders gut im Klima des Kalten Krieges. Noch bis in die 90er Jahre habe ich das zu spüren bekommen. Für die einen gehörte ich in die linke Ecke, für die anderen in die rechte.

Mein Sohn sollte als freier Mensch aufwachsen

Unseren Sohn Anselm, der 1970 geboren wurde, wollten ich und mein damaliger Mann, der Maler Dietrich Bohley, so gut es ging, der formenden Hand von Vater Staat entziehen. Er sollte so frei wie möglich aufwachsen. Vielleicht war es ja auch „naiv“ von uns, in der DDR unser Kind zu einem Weltbürger erziehen zu wollen, aber um der geistigen Beschränkung zu entkommen, war kein Ziel zu hoch gesteckt. Erreichen konnte man sowieso nur die untere Skala der Meßlatte. Anselm besuchte einen evangelischen Kindergarten und wurde nicht Mitglied der Jungen Pioniere. Es war üblich, dass die Erstklässler bei Schulbeginn auch in die Pioniere eintraten. Ich lehnte das mit der Begründung ab, dass er ja erst mal die Pioniere kennen lernen müsse, bevor er in sie eintreten könne. Die Gelegenheit bekam er: er konnte als ehemaliges „Kirchenkindergartenkind“ an den Pioniernachmittagen teilnehmen. Ich bemühte mich allerdings für diesen Nachmittag ein besseres Programm anzubieten. Wenn er wollte, konnte er andere Kinder aus der Schule dazu einladen. So wurden wir am Mittwoch eine echte Konkurrenz für die Schule. Für Anselm hat sich das Problem bald gelöst, er wollte gar nicht mehr in die Pioniere, weil es dort so langweilig war. Er nahm nicht an der vormilitärischen Ausbildung teil und verpflichtete sich nicht mit 14 Jahren zu einem dreijährigen Dienst bei der Nationalen Volksarmee. Damit war natürlich die Chance auf die Erweiterte Oberschule und später die Universität zu kommen, erst einmal vertan. Zum Glück war Anselm ein vielseitig begabtes und interessiertes Kind und ich hoffte, er könnte über den zweiten Bildungsweg seinen Weg gehen. Der Schule teilte ich mit, dass man nicht ihn unter Druck setzen, sondern sich mit mir auseinandersetzen müsse: „Ich nehme lediglich mein Recht als Erziehungsberechtigte wahr und verbiete ihm die Teilnahme an Veranstaltungen, die nicht im Interesse meiner Erziehung liegen.“ So konnte ich wenigstens ein wenig Druck von ihm abwenden.

Trotzdem war es nicht leicht für ihn und heute bin ich manchmal erschrocken über das, was ich ihm zugemutet habe. Zum Glück war er in der Familie und einem großen Freundeskreis geborgen. Alle hatten die gleichen Probleme mit den autoritären Strukturen in Kindergarten und Schule, den Bildungsinhalten und „Lernzielen“, auch wenn sie jeder anders zu lösen versuchte. Einige wollten ihre Kinder sogar antiautoritär erziehen. Für mich war das allerdings auch nur ein hilfloser Laborversuch, mit den Problemen der Realität fertig zu werden. 1970 wurde mein Bruder wegen Staatsverleumdung verhaftet. Er wurde zu zwei Jahren und zwei Monaten Gefängnis verurteilt. In dieser Zeit kloppte er auf der Werft in Wismar Rost von Schiffsrümpfen und ruinierte sich die Gesundheit, bis heute leidet er unter den Folgen der Haftbedingungen.


Eine lehrreiche Reise durch die Sowjetunion

Ich beendete mein Studium 1974 und war seitdem als freiberufliche Malerin tätig. Viele meiner Freunde waren ebenfalls freiberuflich. Das bedeutete nicht nur mehr Unabhängigkeit und Selbständigkeit im Beruf, sondern auch mehr Freiheiten, vorausgesetzt, man wollte keine Karriere machen und war mit einem bescheidenen Lebensstandard zufrieden. Auf jeden Fall fühlte ich mich unabhängiger als die meisten anderen Menschen und suchte ständig nach Möglichkeiten, mich frei zu fühlen. Ich wollte reisen. In den sechziger und siebziger Jahren habe ich etliche Reisen ins sozialistische Ausland gemacht. Trotz der begrenzten Möglichkeiten mit dem eingeschränkten Geldumtausch oder der beschränkten Anzahl von Tagen bin ich außer in Albanien in allen sozialistischen Ländern gewesen. Für mich waren diese Reisen sehr wichtig. Nicht nur, weil ich die reale Situation des sozialistischen Lagers besser einschätzen konnte, sondern auch, weil selbst die Luft im sozialistischen Lager unterschiedlich dünn war. In Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei war sie eindeutig besser als zu Hause. Ich lernte eine Unmenge von Problemen in den anderen sozialistischen Ländern kennen, von denen wir nie etwas in der Schule gehört hatten oder etwas in den Zeitungen lesen konnten. So erfuhr ich etwas vom Antisemitismus in Polen, von der Unterdrückung der türkischen Minderheit in Bulgarien, über den brutalen Polizeiapparat in Rumänien. Die bedrückenden Sorgen der Menschen in der Sowjetunion, ihre Isolation und die Neugier der jungen Leute lernte ich fast wie im Zeitraffer 1976 kennen. Zu dieser Zeit war ich gerade in der Sowjetunion. Bei einem Wettbewerb des Staatlichen Kunsthandels der DDR erhielt ich den 2. Preis, der in einer 14tägigen Reise durch die Sowjetunion bestand. Zusammen mit fünf Meisterschülern der Akademie der Künste flog ich von Leningrad über Moskau, Taschkent, Samarkand und Bratsk nach Irkutsk am Baikalsee. Wir waren eine kleine Gruppe, relativ unabhängig und konnten uns frei bewegen. Die Reise war niederschmetternd und aufregend zugleich. Wenn es noch einen kleinen Funken Hoffnung für das große Sowjetreich in mir gegeben hatte, so wurde der im November 1976 erstickt. In der Sowjetunion war nicht einmal die Logistik vorhanden, um einen Granatapfel von Taschkent nach Leningrad oder Bratsk zu transportieren. Während sie in Taschkent verfaulten, standen die Menschen in Sibirien in ihren riesigen Kaufhallen vor leeren Regalen in denen sie trübe mit Staub belegte 10 Litergläser Tomatenmark betrachten konnten.

Bratsk war laut Reiseführer eine „junge sozialistische Stadt“ im östlichen Sibirien, die in den 60er Jahren erbaut worden war. Sie bestand lediglich aus dem gewaltigsten Wasserkraftwerk der Erde und einem nassen, eisigen Holzverarbeitungswerk ungeheuren Ausmaßes, ein paar baufälligen Neubauten und einem Denkmal für gefallene Rotarmisten, an dem bei 36 Grad Minus zwei Komsomolzen Ehrenwache hielten. Als ich während eines Gespräches mein Gegenüber fragte, wo er geboren sei, sagte er zu meiner Verwunderung: In Bratsk. Aber wie war das möglich, die Stadt war neu und er fast dreißig Jahre alt? Er erzählte mir, dass die Stadt auf einem Gefangenenlager Stalins errichtet worden ist. Der Staudamm und das Wasserkraftwerk seien von Gefangenen gebaut worden. Auch seine Eltern waren Häftlinge gewesen und er selbst wäre noch im GULAG geboren. Die Überlebenden des Lagers waren die „heldenhaften Gründer“ der Stadt Bratsk an dem sibirischen Fluss Angara, mehrere tausend Kilometer hinter dem Ural. Die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen waren unglaublich hart. Sie arbeiteten wie die Sklaven und wahrscheinlich träumten sie nachts von den Granatäpfeln am anderen Ende der Sowjetunion. Alles, was ich während der kurzen Reise hörte und erlebte, beeindruckte mich tief, am meisten aber die müden und bleiernen Gesichter auf der Straße. Fast alle Menschen sahen grau und hart wie Beton aus. Die ganze Gesellschaft schien aus Gestrandeten zu bestehen. Nur ein System, in dem das Leben entsetzlich anstrengend war und der Mensch gar nichts wert, konnte so viele „Betongesichter“ erzeugen.


Natürlich wurde über solche Reisen auch mit Freunden und Bekannten geredet. In meinem Freundeskreis herrschte Gedankenfreiheit. Verbotene Bücher kursierten und wurden diskutiert, Schallplatten wurden ausgetauscht. In Wohnungen fanden Lesungen und Ausstellungen statt. Es wurde gefeiert und gekocht. Wenn die Wohnungstür geschlossen war, fühlte man sich unbeobachtet. Das war nicht nur in Berlin so, sondern auch in Halle, Dresden und anderen Städten. Besonders die Lesungen und anschließenden Diskussionen zeigten, wie groß das Bedürfnis nach geistiger Auseinandersetzung war. In überfüllten und verqualmten Wohnzimmern, es gab kaum ein freies Plätzchen, lasen Schriftsteller wie Sarah Kirsch, Reiner Kunze, Heinz Czechowski, Dieter Mucke, Wolfgang Hilbig, Gerhard Neumann und viele andere. Oft versuchte die Staatssicherheit mit fadenscheinigen Begründungen den alternativen Kulturbetrieb zu behindern. Ein paar Polizisten wurden vorbeigeschickt, die die Lesung verbieten sollten. Es hieß, es sei zu laut, oder aus „bautechnischen Gründen dürften sich nicht zu viele Leute in der Wohnung aufhalten“ oder aber die Veranstaltung war „nicht angemeldet“. Die Staatssicherheit war immer dabei, im Verband Bildender Künstler, in der Schule meines Sohnes, bei den privaten Lesungen und Ausstellungen, manchmal sogar an meinem Küchentisch.

Bei Robert und Katja Havemann

Auch bevor ich mich besonders in der Friedensbewegung engagierte, gab es genug Gründe für die Staatssicherheit ein Auge auf mich zu werfen. Warum sie nicht viel früher zugegriffen hat, frage ich mich auch manchmal. Vielleicht war ich sehr vorsichtig, vielleicht traute sie mir nicht viel zu. 1980 wurden die Schriftsteller Lutz Rathenow und Frank Wolf Matthies verhaftet. Nach ihrer Haftentlassung beschloss Matthies mit seiner Familie in den Westen auszureisen. Zur gleichen Zeit erschien sein erstes Buch bei einem westdeutschen Verlag. Durch einen Journalisten der Süddeutschen Zeitung gelangten die Belegexemplare in die DDR. Auf einem hochkonspirativen Treffen in einem Studentencafe in der Friedrichstraße wurden sie mir übergeben und ich verteilte sie später an Freunde und Bekannte von Matthies. Einer war der Regimekritiker Robert Havemann. Katja, seine Frau, hatte ich bereits auf einer Lesung kennen gelernt. Da hatte ich nun meine Liste, die abzuarbeiten war. Ich fuhr nach Grünheide, um das Büchlein abzugeben. Katja und Robert waren nicht zu Hause. Franziska, die sechsjährige Tochter öffnete mir die Tür. „Da bist du ja endlich, wir haben schon auf dich gewartet“, waren ihre Begrüßungsworte. Ja, mit diesem Besuch eröffnete sich eine neue Welt. Ich bin gewissermaßen aus der Kunstwelt in die Welt der Politik eingetreten. Mit der Stasi verhält es sich vielleicht wie mit der ersten Liebe. Der erste Kontakt mit dem „ganz anderen“ ist für alle weiteren Begegnungen wichtig, weil immer wieder ähnliche Gefühle ausgelöst werden. Meine erste direkte Tuchfühlung mit der Stasi hatte ich, als mich Katja bat, sie zu begleiten, um die Enkelkinder Roberts am Bahnhof Friedrichstraße abzuholen. Robert hatte 70. Geburtstag und die DDR war gnädig gestimmt, sie erlaubte die Einreise der fünfjährigen Nelly und des dreijährigen Felix. Wir nahmen am Grenzübergang Friedrichstraße die Kinder in Empfang und fuhren nach Grünheide. Begleitet wurden wir während der ganzen Fahrt von einem Konvoi Stasiautos. Was wollten die? Die Kinder waren nicht die Eltern, Sybille Havemann und Wolf Biermann. Es waren zwei kleine Zwerge, die kaum sprechen konnten und sich auf ihren Opa Robert freuten. Ich hatte nicht die geringste Angst, sondern war nur von dem absurden Theater, das man uns bot, überrascht. Es war so lächerlich, das für Angst kein Platz blieb. Auch bei späteren „Kontakten“ mit der Staatsicherheit habe ich immer zuerst das Absurde in der Situation gesehen. Das Personal, ja selbst das Mobiliar in Berlin-Hohenschönhausen war absurd. Alles war bieder, primitiv, simpel und stumpf, dabei wollten sie doch das „Schild und Schwert der Partei“ sein. Auf den Fluren in Hohenschönhausen lag der gleich Fußbodenbelag wie in der Küche meiner Freundin Irena. Das war absurd. Mein Vernehmer im Jahr 1983 steckte in Klamotten aus dem Herrenexquisit, ich in einem blauen Trainingsanzug und gelbbraun karierten Pantoffeln, ich hatte doch nie Sport getrieben und er sah so sportlich aus. Das war absurd. Ich kleine Maus wurde in einer Einzelzelle gehalten und an einer ganzen Kohorte, die rechts und links die Treppe säumte, vorbei zu meinem 20minütigem Freigang geführt. Der Freigang fand wiederum in einem vergitterten Käfig statt und über das Käfigdach liefen zwei mit Maschinengewehren bewaffnete Aufseher. Das war absurd.

Mit dem Blick auf das Absurde gelang es mir, eine Distanz aufzubauen zu dem Brutalen, Kalten, Mörderischen, Menschenverachtenden, das hinter dem Absurden lauerte, um einen fertig zu machen. Je weniger Distanz es gab, umso mehr wurde der Inhaftierte durch die Haftbedingungen niedergedrückt und um so mehr litt er unter seiner hilflosen Situation. Bei meiner zweiten Haft 1988 gelang es mir auch nicht, Distanz herzustellen und innere Freiheit zu bewahren. Während der Luxemburg-Liebknecht-Demonstration im Januar 1988 waren sehr viele Antragsteller auf Ausreise aus der DDR verhaftet worden und auch einige meiner Freunde, die sich an der Demonstration beteiligt hatten. Aus Protest kam es sehr schnell zu einem Solidaritätsgottesdienst der unterschiedlichsten Friedens-, Menschenrechts-, und Umweltgruppen in Berlin. Dort wurde diskutiert, wie den Inhaftierten und ihren Verwandten geholfen werden könne. Es stellte sich heraus, dass man unbedingt wieder ein Kontakttelefon brauchte. Bis dahin hatte es ein Kontakttelefon in der Zionskirche gegeben, das auf Betreiben der Kirchenleitung gesperrt worden war. Während des Solidaritätsgottesdienstes fragte ich öffentlich Herrn Konsistorialpräsidenten Manfred Stolpe, ob ich seine und die Unterstützung der Kirchenleitung hätte, wenn ich mein Telefon als Kontakttelefon zur Verfügung stellen würde. Er sagte mir diese Unterstützung zu, die wichtig war, damit mir die Stasi nicht den strafrechtlich relevanten Vorwurf der „Weitergabe von Nachrichten, die nicht der Geheimhaltung unterliegen“ machen konnte.



Trotzdem bin ich einige Tage später verhaftet worden. Ich fühlte mich von der Kirche verraten und war mir sicher, dass ich nicht ein zweites Mal ohne Anklage in die DDR entlassen werden würde. Gleichzeitig konnte ich mir nicht vorstellen, dass die DDR zu dieser Zeit politische Prozesse wollte und durchstehen würde. Die Situation erschien mir total aussichtslos. Zum ersten Mal hatte ich Todesangst, wenn ich in dem fensterlosen Kastenwagen saß und von Hohenschönhausen in die Untersuchungshaftanstalt Magdalenenstraße transportiert wurde. Dort fanden die Gespräche mit meinen Verteidigern, Rechtsanwalt Wolfgang Schnur ( IM Torsten ) und Gregor Gysi (IM Notar) statt. Auch ein gemeinsames Gespräch mit Herrn Bischof Forck und Rechtanwalt Vogel fand in der Magdalenenstraße statt, in dem mir die Möglichkeit eröffnet wurde, in die BRD auszureisen. Ich erklärte, dass ich nicht ausreisen möchte, sondern in der DDR bleiben will.

Manchmal stand der Kastenwagen längere Zeit irgendwo. Ich war allein in dem dunklen Wagen und konnte nichts weiter hören als das Rauschen in meinen Ohren. Plötzlich hatte ich den Gedanken, dass jetzt der Wagen in einen See rollen oder von einem anderen Fahrzeug gerammt werden würde. Das schien mir die einzige Möglichkeit zu sein, das Problem zu lösen. Meine innere Panik fand ihren Niederschlag in panischen Handlungen. Nur so kann ich es selbst verstehen, dass ich mich, gegen meinen ausdrücklichen Wunsch, in der DDR bleiben zu wollen, bereit erklärte für ein halbes Jahr die DDR zu verlassen und nach England zu gehen. Aber das ist eine andere Geschichte. Die Gefühle der Ohnmacht und Wut, die mich immer wieder bei einem unmittelbaren Zugriff durch die Staatssicherheit übermannten, bekam ich das erste Mal am 17. April 1982. An diesem Tag sollte Robert Havemann in Grünheide beerdigt werden. Am Morgen wurde ich zu Hause abgeholt und für einen Tag festgenommen, um nicht an der Trauerfeier teilnehmen zu können. Man befürchtete zu Recht, dass seine Beerdigung gleichzeitig eine Demonstration Andersdenkender gegen die Staatsmacht werden würde. Nicht nur Freunde und Verwandte, sondern auch viele Menschen, die ihn nicht persönlich kannten, wollten von ihm Abschied nehmen und damit zeigen, dass sie seine Ideen teilten. Meine Festnahme damals erzeugte bei mir alles andere als Angst. Ich war empört und wütend über diese Menschenverachtung, die sogar vor einem Toten nicht halt machte. Ja, Wut ist auch eine Wurzel von Mut!

Der Mut der „Frauen für den Frieden“

Ab 1982 ist meine Lebensgeschichte über viele Jahre eng mit der Geschichte der unabhängigen Gruppen „Frauen für den Frieden“, der „Initiative Frieden und Menschenrechte“ und dem „NEUEN FORUM“ verbunden. Besondere Bedeutung für mich hat die Gruppe „Frauen für den Frieden“, denn ihre Geschichte ist eine Geschichte vom Mut zum politischen Handeln. Es ist eine Geschichte vom Sprechen lernen, Verantwortung übernehmen, von Solidarität und der Verteidigung von Menschenwürde in einer Gesellschaft, die von Willkür und Lüge beherrscht wurde. Die Philosophin Hannah Arendt schreibt, dass politisches Handeln „Handeln ist, das im Bereich des Politischen stattfindet und durch Menschen verursacht wird“. Das Politische wiederum ist definiert als die Menge aller politischen Vorgänge. Ein solcher Vorgang verlangt eine Vielheit von Menschen, die irgendetwas Individuelles wollen und sich an einem Ort versammeln, miteinander sprechen und sich schließlich einigen. Die Schlüsselrolle spielt dabei das Sprechen, denn Wollen allein führt zu nichts. Es muss ausgesprochen werden. Das individuelle Wollen war in der DDR nicht unterentwickelt. Gerade im privaten Bereich wurde deutlich, dass die Menschen sich durchaus über gesellschaftliche Probleme der Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft und Gedanken machten und ihre Ziele hatten. Sie wussten, welche Fehler die Staatsmacht auf allen Gebieten machte und sie hatten Ideen, was verändert werden müsste. Was ihnen fehlte, war der öffentliche Raum, in dem sie ihre Gedanken zur Diskussion stellen konnten. Wenn, wie Hannah Arendt schrieb, „Sprechen die zentrale Tätigkeit im Politischen“ ist, waren die DDR-Bürger zum Unpolitischsein verurteilt. Den anständigen Menschen blieb in der DDR fast immer nur das Schweigen, wenige begehrten auf und durchbrachen die Lüge. Sie sprachen das aus, was sie dachten. Als Einzelne wurden sie fast immer durch staatliche Maßnahmen mundtot gemacht, weil sich die Staatsmacht selbst durch deren Meinung bedroht fühlte.

Wenn sich jedoch Menschen zusammenfanden, die nicht schwiegen, sondern öffentlich Probleme der Gesellschaft anprangerten und deren Lösung verlangten, dann wurden sie tatsächlich zu einer Bedrohung für die Staatsmacht. Die Frauen unserer Gruppe taten dies zu einer Zeit, in der es nicht viel Aussicht auf Erfolg gab. Sie haben es getan ohne nach den Folgen zu fragen. Dabei hat jede auf ihre Art Mut bewiesen. Sie hatten mehr Feinde als Freunde. Nicht nur bei den staatlichen Organen, in den Betrieben, im sozialen Umfeld, sondern auch in der Kirche. wie z. B. den Konsistorialpräsidenten Manfred Stolpe (IM Sekretär) und den Generalsuperintendenten Günther Krusche (IM Günther) Oft haben die eigenen Männer sie nicht verstanden oder Bekannte und Freundinnen ließen sich nicht mehr sehen aus Angst, in „etwas“ hineingezogen zu werden.
Die Geschichte der Initiative „Frauen für den Frieden“ begann fast beiläufig. Angestoßen durch den „Flügelschlag eines Schmetterlings“, wie es in der Chaostheorie heißt, endete sie erst 1989 mit dem Fall der Mauer. Im Dezember 1981 war in Polen das Kriegsrecht ausgerufen worden. Im März 1982 sollte in der DDR ein neues Wehrdienstgesetz in Kraft treten. Nach diesem Gesetz sollten auch Frauen im Verteidigungsfall und im Falle der Mobilmachung zum aktiven Armeedienst eingezogen werden, was eine weitere Verschärfung der bereits seit dem Ende der siebziger Jahre zunehmenden Militarisierung der DDR-Gesellschaft bedeutete. Während die Staatsmacht sich gegenüber der Welt als Friedentaube darstellte, sollte die ganze DDR-Bevölkerung zu militärischen Befehlsempfängern gemacht werden. Man kann sagen, dass die Bevölkerung seit Jahren direkt oder indirekt einer vormilitärischen Ausbildung unterlag. An den Schulen war 1978 der Wehrkundeunterricht eingeführt worden und an Hochschulen, in Betrieben und öffentlichen Einrichtungen fanden Zivilverteidigungs- und Kampfgruppenübungen statt. Bestimmte Sportarten wie Tauchen oder Segeln konnte man nur in der paramilitärischen Gesellschaft für Sport und Technik betreiben. In den Kindergärten und Schulen stand ein Besuch bei der NVA auf dem Plan. In der Schule lernten die Kinder das Addieren, in dem sie vier Panzer plus drei Panzer zusammenzählen mussten.

Empört diskutierte ich das mit dem Lyriker Uwe Kolbe in meinem Atelier. Und was sagte der Dichter? „Schreib´ doch eine Eingabe!“ Das war die in der DDR einzig zugelassene Form, um seinem Unmut an öffentlichen Dingen freien Lauf zu lassen. Man konnte sich von schlechten Wohnbedingungen über abgewiesene Reiseanträge bis hin zu neuen Gesetzen beschweren. Fast immer erfolglos. Aber der Bürger bekam die Chance, sich abzureagieren und sein Gewissen zu erleichtern. Man zeigte, dass man nicht alles hinnahm, sondern noch eine eigene Meinung hatte. Also schrieb ich eine Eingabe an das Zentralkomitee der SED, die natürlich nicht beantwortet wurde. Freundinnen in Halle und Berlin schrieben ebenfalls an alle möglichen Stellen und erhielten keine Antwort. Nicht nur das neue Gesetz empörte uns, sondern auch die Arroganz der Macht. Wir beschlossen, gemeinsam einen Brief an den Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker zu schreiben.

Der Protestbrief an Erich Honecker

Was waren die Motive der Frauen? Einige von ihnen hat Irena Kukutz, ebenfalls Mitglied unserer Gruppe, im Jahr 2000 dazu interviewt. Hier Auszüge aus den Interviews:

„Na ja, der Text der Eingabe, der ist in dem Stil in dem wir damals tatsächlich auch gedacht haben. Obwohl er in gewisser Weise auch taktische Passagen enthält. Wir haben moralisch argumentiert, so haben wir es auch gemeint, aber wir haben es vermieden aggressiv zu argumentieren um ihnen nicht billig Argumente zu geben uns als Staatsfeinde gleich zu verknacken, wollten darauf hingewiesen, also darauf, dass sie ihre eigenen Regeln nicht ernst nehmen. Aber gleichzeitig waren wir alle damals in unserem Bewusstsein über die DDR der Meinung, dass das Ganze als politisches Gebilde sowieso eine Farce ist. Nur wir wollten nicht ausreisen, wir wollten hier bleiben und wir wollten versuchen, öffentlich was zu machen. Der Brief hat die Tendenz, dass wir Dialog erwarten, in Wirklichkeit haben wir den meiner Meinung nach kaum erwartet.“ Katja Havemann
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„Dann bin ich zu mehreren meiner Freundinnen hingegangen und habe sie gefragt, ob sie das unterzeichnen möchten. Das war recht interessant, weil sich dadurch endlich die notwendige Diskussion herstellte, in der es darum ging: Ist jetzt der Zeit gekommen, wo wir NEIN sagen müssen? Sind dies die richtigen Mittel? Wie viel persönliches Risiko ist man selbst zu tragen bereit? Wie sieht das Verhältnis aus zwischen Risiko und dem was wir durch solche Aktionen bewirken? Müssen wir damit rechnen, dass das schon zum Anlass genommen wird, uns ins Gefängnis zu bringen? Mit welchen beruflichen Konsequenzen hat die einzelne Angesprochene zu rechnen? Über all diese Fragen wurde gesprochen und natürlich auch, ob wir überhaupt das Recht haben, uns selbst zu gefährden, weil wir doch die Verantwortung für unsere Kinder haben. Oder müssen wir, gerade weil wir Kinder haben, uns hier einmischen und etwas zu verändern versuchen? Es ist ja immer beides gewesen, einmal die Angst um die Kinder und zum anderen waren viele eben durch die Verantwortung für die Kinder motiviert, sich gegen die Militarisierung einzusetzen“ Ulrike Poppe
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„Wir Frauen waren zum großen Teil mit der Wehrdienst-Thematik konfrontiert wegen unserer Freunde und Männer, die zur Armee mussten. Wir sahen, dass es für sie ein Albtraum war, diese NVA - Zeit irgendwie zu überstehen. Das hat ihre Substanz und ihre Persönlichkeit sehr angegriffen. Ich habe bei vielen erlebt, dass sie in schwere Krisen gekommen sind, weil ihnen ihre ganze Selbstbestimmung genommen wurde. Viele haben sich ständig betrunken, weil sie es einfach nicht mehr ausgehalten haben. Und das alles, um töten zu lernen. Ich denke, dass es beabsichtigt war, die Leute so fertig zu machen. Es hat wie eine Gehirnwäsche gewirkt. Sie haben bei der Armee alles über sich ergehen lassen, damit sie die Zeit überstehen und irgendwann dann die Tage zählen konnten, um da wieder wegzukommen.
Die Vorstellung war grauenvoll, dass Frauen auch in diese Maschinerie sollten, zumal wir gemerkt haben, wie zerstörend sie auf Männer wirkt. Das war für mich der Grund zu sagen: nein, das auf gar keinen Fall. Ich bin in Panik geraten bei dem Gedanken, dass ich ebenfalls zur Armee und mich solchen Bedingungen aussetze sollte.“
Almut Ilsen

„Im Oktober 1982 habe ich als Lehrerin in der Volksbildung gearbeitet für die Oberstufe Deutsch und Englisch, mein Sohn war gerade eineinhalb Jahre alt. Eine Freundin von mir, Judith Endler, die kam also mit dem Text der Eingabe zu mir und wir saßen dann gemeinsam in der Küche und haben uns lange darüber unterhalten. Wir kannten bis dahin das neue Wehrdienstgesetz nicht und dadurch haben wir erfahren, was damit vorgesehen war, dass Frauen eingezogen werden sollten im sogenannten Ernstfall oder wie das da formuliert war. Dass also die Männer zur Armee müssen, die Frauen zur Armee müssen und die Kinder eventuell in Heime kommen. Und wir hatten beide gerade unsere Söhne bekommen, ihr Sohn ist ein Jahr jünger als meiner und wir haben uns dann vorgestellt, was das bedeutet, wenn das eintritt. Weil wir wussten ja, dass dieser Ernstfall von den Machthabern definiert wird, je nachdem was die also als ernst betrachten. Und wir wussten, wir müssen uns dagegen wehren, wir können das nicht mitmachen. Wir können nicht unseren Söhnen in zwanzig Jahren ins Gesicht blicken und denen sagen, ja mein Gott, man konnte nichts machen. Sie hatte das schon unterschrieben und ich hab das dann auch unterschrieben.“ Tina Krone

Viele Frauen waren sofort bereit diesen Brief zu unterschreiben. Besonders ihre Angst vor einem möglichen Atomkrieg war groß. Sie wollten sich nicht einspannen lassen in eine Abschreckungspolitik, die längst jeden Sinn verloren hatte. In einem Atomkrieg würde es keine Sieger geben. Ende der siebziger Jahre drehte sich die Rüstungsspirale schneller und schneller. Aber auch die Angst vor einem Atomkrieg wuchs. Weltweit gab es bereits eine Protestbewegung gegen diese Politik. Vor allem in Westeuropa und Amerika hatte sich eine starke Friedensbewegung organisiert. Auch dort waren Frauen besonders aktiv. Ihr Widerstand hatte bereits in den sechziger Jahren in Amerika begonnen, denn sie forderten einen Stopp der Atombombentests. Auch in der DDR gab es seit Jahren Menschen, die aus Gewissensgründen der Militarisierung entgegentraten. Seit Bestehen der Nationalen Volksarmee 1962 gab es Widerstand gegen den Wehrdienst. Zu tiefe Spuren hatte der letzte Krieg hinterlassen. Der Staat reagierte auf diesen Widerstand mit der Einführung des Bausoldatengesetzes im September 1964. Männer konnten seitdem den Dienst mit der Waffe ablehnen und ihren Armeedienst als Bausoldat leisten. Die Folgen aber wurden zunehmend härter. Während die Brüder meines Mannes noch studieren konnten, war dies ab 1975 für Wehrdienstverweigerer kaum noch möglich. Es gab lediglich einige Alibistudienplätze in bestimmten Fachrichtungen, um vor der Weltöffentlichkeit gut dazustehen. Mit der zunehmenden Militarisierung wuchs auch die Zahl ihrer Kritiker im Lande. Vor allem die Kirchen wurden von ihren Gemeindemitgliedern gezwungen, sich öffentlich zu äußern. Unter dem Dach der Kirche gab es viele Friedenskreise und etliche Aktionen hatten dort ihren Ursprung, wie der „Berliner Appell“ und „Schwerter zu Pflugscharen“. Die Zahl der Bausoldaten und Totalverweigerer stieg stetig an.

Unsere Eingabe wurde von 150 Frauen aus der ganzen DDR unterschrieben. In dieser Eingabe heißt es unter anderem: „.. eines verbindet uns, dass wir nicht gleichgültig sind und nicht schweigend unsere Zustimmung zu einem Gesetz geben wollen, das den Frauen ganz neue Pflichten auferlegt, die nicht mit unserem Selbstverständnis zu vereinbaren sind. Wir Frauen wollen den Kreis der Gewalt durchbrechen und allen Formen der Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung unsere Teilnahme entziehen. Wir Frauen sehen den Armeedienst für Frauen nicht als Ausdruck ihrer Gleichberechtigung, sondern als einen Widersinn zu ihrem Frau-Sein.“ Diesmal reagierte der Staat schnell, zumal der Brief auch noch im „Spiegel“ veröffentlicht worden war. Mit den Frauen wurden in den Betrieben oder zu Hause Einzelgespräche geführt. Damit sie sich nicht abstimmen konnten, fanden sie zeitgleich statt. Die Unterzeichnerinnen sollten zu der Einsicht gebracht werden, dass das neue Gesetz notwendig sei, um die Verteidigungskraft der DDR gegenüber der Bedrohung aus dem Westen zu erhöhen. Waren sie uneinsichtig, wurde ihnen unter Drohungen, z.B. mit beruflichen Konsequenzen, die Tragweite ihres Handelns deutlich gemacht. Trotzdem zogen nur wenige Frauen ihre Unterschrift zurück. Etwa zwei Dutzend Frauen wollten es nicht bei dieser Eingabe bewenden lassen, sie waren über die Nichtachtung und Arroganz der Machthaber so empört, dass sie beschlossen sich als „Frauengruppe für den Frieden“ weiterhin zu treffen. Wir wollten einen Dialog mit der Macht erzwingen. Einigen Männern gefiel unser Umgang miteinander so gut, dass sie am liebsten Mitglieder unserer Gruppe geworden wären. Das lehnten wir ab, weil wir unseren Staat kannten, der Frauen nie besonders ernst genommen hat.

Nach dem Krieg dominierte ein nahezu durchgängig konventionelles Frauenbild, in dem die Rolle der Frau als „Mitarbeiterin“ des Mannes betont wurde. Das betraf faktisch alle Bereiche in Politik, Gesellschaft und Kirche.
Allerdings hatten der Krieg und die Härten des Wiederaufbaus und der Transformation (Kriegs- und Trümmerfrauen) den Frauen neue Rollenzuweisungen gebracht. Sie erfüllten nicht nur „Ersatzfunktionen“ für die fehlenden Männer, sondern waren auch unentbehrlich im öffentlichen und wirtschaftlichen Leben geworden. Die Ansätze der frühen sozialistisch-emanzipatorischen Frauenbewegung gingen aber im Kern verloren. Die „Gleichberechtigung der Frau degenerierte im Grunde als Kampagne zur Mobilisierung der Frauen für die Produktion. Das blieb auch so in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren. Die propagierten Alltagshelden in der DDR waren fast alles Männer: Der Aktivist Adolf Hennecke (vierziger Jahre), der Radrennfahrer Gustav Adolf Schur (fünfziger Jahre) oder der Kosmonaut Sigmund Jähn (siebziger Jahre). Einige Frauen, wie die Aktivistin Frieda Hockauf (Fünfziger Jahre) waren nur Abbilder der männlichen Produktionshelden. Auch in den Führungsetagen der SED gab es von Anfang an kaum Frauen.

„Wider den Stachel“ – ein tolles Gefühl...

In den achtziger Jahren hatte sich die Lage der Frauen in der DDR inzwischen gewandelt. Die SED-staatliche Propaganda verbreitete zwar nun deutlicher die Legende von der Fürsorge für die Frauen, deren eigenständigen Rolle und der Geborgenheit der Frauen in der DDR. Aber in den Führungsgremien saßen immer noch nur Männer mit gelegentlichen Alibifrauen. Das vulgäre Frauenbild der Staatsorgane war ohnehin völlig antiquiert. Im MfS hielt man Frauen für die selbständige operative Arbeit nicht geeignet. Frauen brauchten danach „Führung“. Die lediglich ritualisierte Gleichberechtigung, etwa die Feiern zum „Internationalen Frauentag“ am 8. März, war von dem alten Frauenbild geprägt. Der sozialistische Frauentyp war: Kinder in der Krippe, kräftig mit praktischer Mode, berufliche Qualifizierung, im DFD organisiert. Im Lexikon "Die Frau" hieß es: „Die Frau ist eine wertvolle Ergänzung des Mannes.“
Tatsächlich hatte sich aber ein sozialer Wandel vollzogen. Soziologisch spielte die traditionelle Schichtung keine Rolle mehr. Die DDR-Gesellschaft war zunehmend homogenisiert, als Gegentrend setzte eine starke Individualisierung ein. Die Frauen entschieden über ihre Lebenslagen eigenständiger und wurden in ihrer Geschlechterrolle auch selbständiger (zum Beispiel reichten überwiegend die Frauen die Scheidung ein).
Trotzdem traute man den „Frauen für den Frieden“ nicht viel zu, bestimmt nicht, die erste von der Kirche unabhängige Protestgruppe gegründet zu haben. Die Stasiakten beweisen, dass tatsächlich ständig nach den „Hintermännern“ gesucht wurde. Obwohl etliche Frauen schon längst im Visier der Stasi waren, ging unsere Rechnung auf. Bis zur Verabschiedung des Nato-Doppelbeschlusses durch den Bundestag November 1983 ließ man uns relativ in Ruhe.
Das Jahr 1983 war für die Friedensbewegung ein wichtiges Jahr. Auch die „Frauen für den Frieden“ waren rastlos und unermüdlich tätig. Die Angst vor einer weiteren Drehung der Rüstungsspirale überwog die Angst vor der Staatssicherheit. Unter uns gab es Frauen, die der Kirche angehörten und so war es nur natürlich, dass wir uns an vielen kirchlichen Veranstaltungen beteiligten und dort unser Anliegen vortrugen. Wir suchten Kontakt zu kirchlichen Friedenskreisen oder Personen, planten, organisierten und machten Aktionen und Veranstaltungen, die zum Teil durch die Staatssicherheit verhindert wurden. Es gab Repressionen und vorübergehende Festnahmen. Aber trotzdem waren wir einfach nicht unterzukriegen. Wir waren kreativ, einfallsreich, unsere Ideen waren frech, provokativ und wir trafen fast immer den Nagel auf den Kopf. Das Lachen ist uns auch unter Stasiaugen nicht vergangen. Im Gegenteil, es war trotz aller Angst ein überwältigendes Gefühl „wider den Stachel zu löcken“. Wir saßen im Warmen, tranken Wein, hatten neue Ideen, heckten neue Pläne aus und vor der Haustür standen „die“ sich in der Kälte die Beine in den Bauch. Später stand jahrelang ein alter Bauwagen vor meinem Haus und die Stasiakten beweisen, dass sie tatsächlich aus diesem fotografierten. Sie müssen trotzdem vor Kälte gezittert haben, denn fast alle Fotos sind verwackelt.

Zu dieser Zeit fühlten wir uns fast unangreifbar und aufgehoben in einem großen Netz, weil viele Menschen in Ost und West wie wir dachten. Die Menschen organisierten sich gegen die atomare Bedrohung, „Ärzte gegen den Atomkrieg“, „Generäle für den Frieden“, Schriftsteller wie Heinrich Böll, bildende Künstler wie Joseph Beuys, um nur einige zu nennen, erhoben ihre Stimme. Selbst sowjetische Wissenschaftler wie das Akademiemitglied Prof. Georgij Arbatow standen inhaltlich auf unserer Seite, wenn sie davor warnten, zu glauben, dass die Anhäufung von Waffen mehr Sicherheit brächte. Wenn die Stasiakten heute auch zeigen, dass die westliche Friedensbewegung vom Osten zum Teil finanziert und manipuliert wurde, so war die Angst von Millionen Menschen ehrlich und begründet, hatte doch die Kubakrise gezeigt, wie schnell es zu einer atomaren Auseinandersetzung kommen könnte. Dass nicht nur wir so dachten, sondern sehr viele, stärkte das Vertrauen der Frauen in die eigene kritische Urteilskraft. In der DDR entstanden weitere Initiativen von Frauenfriedensgruppen. Aber die Frauen in Berlin waren leichter zu erreichen als die Frauen in Halle, Leipzig Die Staatsgrenze lief mitten durch Berlin. Viele Menschen aus der internationalen Friedenbewegung besuchten uns. Journalisten kamen und Sympathisanten klopften an die Tür. Die meisten Treffen fanden in unseren Küchen oder in meinem Atelier statt.

Nachdem Petra Kelly und Gert Bastian mit anderen Grünen auf dem Alexanderplatz in Ostberlin für Frieden und Abrüstung demonstriert hatten, suchten wir den Kontakt zu den Grünen, die gerade in den Bundestag eingezogen waren. Besonders Petra Kelly war bis zu ihrem Tod eine gute Freundin und Verbündete. Es war unwichtig aus welcher Gruppe jemand verhaftet wurde, sie protestierte immer als eine der ersten. Ihren diplomatischen Status als Bundestagsabgeordnete nutzte sie, um Bücher, Druckfarben und technische Geräte in die DDR zu bringen. Wir wollten eine starke blockübergreifende Friedens- und Ökologiebewegung und gemeinsam gegen Menschenrechtsverletzungen in der ganzen Welt vorgehen. Wir wollten Menschen unterstützen, die Repressionen ausgesetzt waren auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs. Innerhalb der westdeutschen Friedensbewegung und der Grünen hatte Petra Kelly deshalb gegen Ideologen und Ignoranten zu kämpfen, die die Menschenrechtsverletzungen in Osteuropa nicht wahrhaben wollten.

In Stasi-Haft: Die Angst und der Kampf um Würde

Am 12. Dezember 1983 wurde gegen Irena Kukutz und Jutta Seidel ein Ermittlungsverfahren ohne Haft und gegen Ulrike Poppe und mich eines mit Haft eingeleitet. Ulrike und ich kamen in das Untersuchungsgefängnis Berlin-Hohenschönhausen. Nach starkem internationalen und auch nationalen Protest wurden wir am 24. Januar 1984, zwei Tage vor Ulrikes 31.Geburtstag, aus der Haft entlassen. Zu der Verhaftung war es nach einem Treffen mit Barbara Einhorn gekommen, die der englischen Friedenbewegung angehörte und ein Buch über die Situation der Frauen in der DDR und die unabhängigen Frauengruppen schreiben wollte. Beim Grenzübertritt wurden Aufzeichnungen gefunden, die sie während des Gespräches gemacht hatte. Sie wurde einige Tage inhaftiert und durfte bis 1989 nicht mehr in die DDR einreisen. In diesen sechs Wochen über Weihnachten und Neujahr in Stasiuntersuchungshaft machte ich meine nachdrücklichsten Erfahrungen. Mein Sohn war dreizehn Jahre alt. Ich rechnete mit unserer Verurteilung, konnte mir gleichzeitig schwer vorstellen, Jahre hinter Gittern zu verbringen. Ob ich das wohl durchgehalten hätte? Die sechs Wochen Einzelhaft waren ein Kampf um die eigene Würde. Nicht zeigen wie schwer das Herz ist, aber sich selbst beweisen, dass man noch einen Willen hatte. Schweigen lernen; kämpfen, um Dinge, die unwichtig sind, aber die Möglichkeit boten sich abzureagieren, z.B. eine Schere, um sich die Haare zu schneiden, keine Zigarette annehmen, um wenigstens innere Freiheit zu dokumentieren. Das Wichtigste war, dass da draußen Menschen waren, denen ich ganz und gar vertraute. Sie würden alles tun, um uns frei zu bekommen und alles, um Anselm, meinem Sohn, das Leben zu erleichtern.

Mir war klar, dass die DDR auf die Friedensbewegung im Westen keine Rücksicht mehr zu nehmen brauchte, wenn die Nachrüstung beschlossen werden würde. Dann konnte die DDR endlich wieder ihr wahres Gesicht zeigen und gegen die eigene unabhängige Friedensbewegung vorgehen. Der Osten brauchte Ruhe, um als Gegenmaßnahme zur Nachrüstung die SS-20-Raketen aufstellen zu können. Ich war somit nicht überraschend verhaftet worden, sondern habe die drohende Verhaftung geahnt und mich vorbereitet. Belastendes Material weggebracht, Briefe geschrieben und versucht meine Angst in den Griff zu bekommen. Die Bücher, die ich über Verfolgung, Haft und Isolation gelesen hatte, waren eine gute Schule. Das Ziel der Herrschenden war immer das gleiche, ob in den Konzentrationslagern des Dritten Reiches, im sibirischen GULAG, im Fußballstadion von Santiago de Chile oder im Stasiknast Bautzen. Sie wollten ihre Gegner, die vermeintlichen oder tatsächlichen, zerbrechen. Ihr Geist, ihre Menschenwürde, notfalls ihr Leben, waren das Material, das erbarmungslos vernichtet werden musste. Man konnte nicht viel dagegen setzen, nur sich selbst. Das Verhalten und die Erfahrungen anderer Häftlinge waren deshalb besonders wichtig. Ich hatte zum Beispiel die 1981 im Westen erschienene Biographie „Durch die Erde ein Riß“ des Schriftstellers Erich Loest gelsen, der von 1958 bis 1964 in politischer Haft in Bautzen saß. Er schrieb, dass er jeden Tag 10.000 Schritte in seiner Zelle gegen die Verzweiflung anlief. Die lief ich auch - und führte stille Gespräche mit ihm oder sang ein Biermannlied.

Die 1978 im Westen erschienenen „Vernehmungsprotokolle“ des Schriftstellers Jürgen Fuchs, der wegen seines Protests gegen die Ausbürgerung von Biermann 1976/77 neun Monate im Stasi-Knast Hohenschönhausen in U-Haft saß, hatten mich auf die Kälte, Härte, Einsamkeit und Verzweiflung während einer Untersuchungshaft durch das MfS vorbereitet. Er beschrieb auch die perfiden Methoden des MfS, den Inhaftierten durch einen eingeschleusten Denunzianten zum Sprechen zu bringen. Ich hatte deshalb große Angst meine Einzelzelle verlassen zu müssen. In der Silvesternacht 1983 waren plötzlich auf unserem sonst totenstillen Gang die Schreie eines Mädchens zu hören. Nach etwa zwei Stunden erschien in meiner Zelle ein Wachhabender, der mich zu dem Direktor des Gefängnisses brachte. Dieser bat mich, mich um das Mädchen zu kümmern, da sie einen Nervenzusammenbruch hätte und ein Arzt nicht zu erreichen sei. Mein Herz schlug bis in den Hals. Was sollte ich tun? Gab es dieses Mädchen in einer Nachbarzelle oder war es der Versuch mich mit einer Zuträgerin zusammenzulegen? Schließlich weigerte ich mich mit der Begründung, dass nicht ich das Mädchen verhaftet und in diese Situation gebracht hätte, um sie zu beruhigen, brauche man sie nur frei zu lassen. Manchmal höre ich noch heute die Schreie und bin nicht sicher, ob meine Entscheidung richtig war. Wenngleich fast alle Entscheidungen, die ich aus dem „Bauch“ getroffen habe, nie große Fehler waren.

Ein anderes Erlebnis in Hohenschönhausen hat mich ebenfalls stark beeindruckt. Nachdem mein Vernehmer mit seinen Ermittlungen nicht weiter kam, verstärkte er seine Drohungen. Wenn ich nicht endlich sprechen würde und kooperativ wäre, sähe es schlecht für mich aus, immerhin hätte ich bei Landesverrat, Spionage usw. eine Haftstrafe von bis zu 12 Jahren zu erwarten. Wieder half mir ein Geistesblitz. „Gut, 12 Jahre, aber ich komme hier wieder raus, Sie nie“, antwortete ich spontan. Seine Reaktion war verblüffend und bestätigte mir, dass ich ins Schwarze getroffen hatte. Den Gedanken hatte er auch schon gehabt. Wutentbrannt ließ er mich sofort in meine Zelle zurückbringen. 1990 bei der Einsicht in meine Stasiakten dachte ich wieder an ihn. Die Mitarbeiter des gewaltigen Stasiapparates haben nicht nur uns zerstören wollen, sie sind auch selbst als Menschen zerstört worden. Auch sie wollten erlöst sein, denn nur so es lässt es sich erklären, dass sie 1989 so schnell aufgegeben haben. Vielleicht bin ich auch deshalb kaum Frauen bei der Staatssicherheit begegnet. Sie haben ein besseres Gespür für das, was sie zerstört.

In Stockholm fand Mitte Januar 1984 die „Konferenz für vertrauensbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa“ statt. Während dieses Treffens kam es zu einem Offenen Brief des Verbandes aller Friedenorganisationen Europas (IPPC) an Erich Honecker, in dem unsere Freilassung und die der anderen in der DDR inhaftierten Friedensfreunde gefordert wurden. Neben der bis dahin stattgefundenen breiten Solidarität war dieser Brief sicher ausschlaggebend für unsere Entlassung aus der Haft. Am 24. Januar wurden die Ermittlungsverfahren gegen uns eingestellt. Mit dieser politischen Entscheidung wollte die Staatsmacht das ramponierte Ansehen der DDR wiederherstellen. Während unserer Haft gab es Differenzen in der Frauengruppe. Einige waren nicht damit einverstanden, dass sie über das geplante Buch von Barbara Einhorn nicht informiert waren und bemängelten unseren „Führungsstil“. Ich wollte keine Untergrundkämpferin sein, aber es war mir klar, dass man in der DDR politisch nur bedingt demokratisch handeln konnte. Vieles musste im Verborgenen geschehen, damit es überhaupt geschah. Das bedeutete, nicht jede konnte alles wissen. Die Gefahr der Geschwätzigkeit oder des Verrats gab es immer. Tatsächlich war die Stasi über unsere Meinungsverschiedenheiten informiert und wollte sie vertiefen. Eine wichtige Rolle spielte dabei die in unsere Gruppe eingeschleuste Monika Haeger (IM Karin Lenz). Trotz einiger Zersetzungsmaßnahmen wie z.B. einer anonymen Briefaktion ist dies nicht gelungen. Die Frauen beschlossen weiterhin als Gruppe zu arbeiten. Einige Frauen zogen sich allerdings zurück, andere, gerade sehr aktive Frauen reisten in den Westen aus, weil sie der psychischen Belastung nicht mehr Stand hielten, an keine Veränderung mehr glaubten, sich ausgebrannt fühlten. Allerdings gab es auch Frauen, die durch die Mitarbeit in den Fraueninitiativen nur ihrem Ausreiseantrag Nachdruck zu verleihen wollten.


„Wir müssen schreien, sonst hört man uns nicht!“

Das Jahr 1984 hatte bedrückend begonnen, wurde aber nicht weniger quirlig und anstrengend als das vergangene. Wir beteiligten uns an der Friedenswerkstatt und an Friedensseminaren. Wir initiierten oder unterschrieben internationale Aufrufe, hatten etliche Gespräche mit Kirchenvertretern, in denen wir um Unterstützung für einzelne Projekte baten und es gab ein erstes DDR-weites Treffen der Gruppen „Frauen für den Frieden“ in Halle, dem bis 1989 jedes Jahr in anderen Städten weitere folgten. Letztlich gab es etwa einhundert Gruppen. Es ist unmöglich alle Aktivitäten aufzuzählen. Besonders wichtig für mich war unser erstes „Politische Nachtgebet“ am 22. Mai 1984 in der Berliner Auferstehungskirche, das wir mit der Pastorin Christa Sengespeik vorbereiteten und durchführten. Die Vorbereitung war genauso wichtig wie das Nachtgebet selbst. Der Rauhreif, der sich in den letzten Monaten auf uns gelegt hatte, verschwand. Wir fanden zu unserer alten Leichtigkeit und Kreativität zurück. „Kommt, lasst uns klagen, es ist an der Zeit. Wir müssen schreien, sonst hört man uns nicht“ war unser Motto für diesen Abend. In der Kirche waren viele Menschen. Wir hatten Angst vor dem Zittern unserer Knie und einige zogen lange Röcke an, um dies zu verbergen. Aber wir hatten keine Angst unsere Gedanken und Gefühle auszusprechen. Wir äußerten unsere Meinung in einem öffentlichen Raum und ermunterten andere zum Mitreden. In einem Interview mit Irena Kukutz erinnert sich eine der Teilnehmerinnen, Elke Westendorff, so daran:
„Die Pastorin hielt eine bewegende Predigt. Sie sprach über die trojanische Seherin Kassandra. Was sie sagte, war eine Art Aufruf, endlich zu handelnden Subjekten zu werden, die eigenen Position zu finden und sie selbst-bewusst zu vertreten: Frauen, die sich trauen, etwas zu bewegen.
Die meisten der Anwesenden standen biblischen Inhalten nicht gerade nahe. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass das Gesagte aufgesogen wurde. Der zentrale Text des Gottesdienstes, die Geschichte von der „Speisung der 5000“ traf den Nerv unserer Stimmung in diesen Tagen. Mit fünf Broten und zwei Fischen ein Wunder zu vollbringen, schien nicht mehr unmöglich. Denn unser Mut und unsere Hoffnung - unsere Lebens-Mittel - wurden größer, je größer die Zahl derer wurde, mit denen wir sie teilten. Wir waren da, und wir waren viele. Die Form des Gottesdienstes bot uns Schutz und gab uns Raum: Fürbittengebete, Kerzenanzünden, einander bei der Handnehmen, einander ins Gesichtsehen. Wir hatten Formen gefunden, unserer Angst zu begegnen und unserer Hoffnung wenigstens in den Ritualen einer liturgischen Feier Ausdruck zu geben. Wir hatten uns zum Singen und Beten versammelt, um nicht mehr zu schweigen. Frauen wagten sich nach vorn, stellten sich vor, berichteten über ihre Erfahrungen. Ich sang in diesem Gottesdienst und spielte dazu Gitarre. Unter anderem sang ich einen Text, den Karl Marx 1836, als er achtzehn Jahre alt war schrieb. Ich vertonte ihn eigens für diesen Abend: „Darum laßt uns alles wagen, nimmer rasten, nimmer ruh’n, Nur nicht dumpf so gar nichts sagen und so gar nichts woll’n und tun, Nur nicht brütend hingegangen, ängstlich in dem nied’ren Joch. Denn das Sehnen und Verlangen und die Tat, sie bleibt uns doch.“
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In der MfS-Information vom 30.05.84 liest sich das so:
“An der Veranstaltung nahmen ca. 350 Personen, in der Mehrzahl Frauen im Alter von 20 bis unter 40 Jahren teil….
In einer Reihe von religiös verbrämten Beiträgen wurden insbesondere die Frieden-, Verteidigung- und Sicherheitspolitik sowie die Jugend- und Umweltschutz der DDR verleumdet und das Gesundheitswesen verzerrt dargestellt. Der Einsatz raffinierter gestalterischer Mittel zielte darauf ab, unter den Teilnehmern eine starke emotionale Wirkung auszulösen. Durch ein derartiges Vorgehen wurde eine solche Atmosphäre erzeugt, dass alle Anwesenden selbst offene Angriffe gegen den Staat widerspruchslos hinnahmen bzw. Beifall spendeten….
Die in der Mehrzahl vorbereiteten Beiträge richteten sich sämtlich gegen Grundlagen der sozialistischen Gesellschaftsordnung, waren in der Regel gekennzeichnet durch pessimistische Grundaussagen und trugen unterschwellig den Charakter von „Forderungen“.“

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Ab 1984 wurde die Thematik der unabhängigen DDR-Friedensbewegung breiter. Auch die der Frauengruppe. Sie mischte sich ein, wann und wo sich ein Anlass bot. Außerdem nahm sie an den bereits traditionellen Veranstaltungen der Kirche zur Friedensproblematik teil. Sie wollte Kontakte nach Osteuropa aufbauen und wurde mit Reiseverboten bestraft. 1986 initiierte die Frauengruppe eine Unterschriftenaktion gegen den Plan der DDR-Regierung, über den Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee eine Autostrasse zu bauen. Ruth Kibelka erinnert sich (Interview mit Irena Kukutz):
„Eine wichtige Aktion war auch die Sache mit dem Jüdischen Friedhof, 1986. Wir hatten erfahren hatten, dass eine Schnellstraße direkt über den Friedhof, als „Protokoll-Strecke“ für Erich Honecker gebaut werden sollte und Christa Sengespeick konnte das auch bestätigen, weil gegenüber von diesem Friedhof, der Friedhof ihrer Gemeinde lag. Dort hatte man schon mit den Umbettungen angefangen, was sehr ungewöhnlich war, weil es sich um Bombentote handelte, die eigentlich als Opfer des zweiten Weltkrieges, nicht umgebettet werden konnten. Und wir haben uns dann kundig gemacht und wussten, dass der Jüdische Friedhof, der vor hundert Jahren [eingeweiht 1880] angelegt worden war...dass man schon Anfang der 20er Jahre beschlossen hatte eine große Ausfallmagistrale zu bauen und zwar durch den Jüdischen Friedhof und damals hatte die Jüdische Gemeinde diese Straßentrasse bereits verkauft. Das heißt, also rechtlich gab es überhaupt keine Handhabe. Das einzige womit man agieren konnte war moralisch, denkmalpflegerisch usw... und man merkte sehr schnell, dass man da wieder an ein heißes Eisen geriet. Das war im Frühjahr und dann stand also die Friedenswerkstatt 1986 wieder vor der Tür und überall wo man hinging, da biss man auf Granit, weil zum Beispiel die Jüdische Gemeinde in Ostberlin, die ja nur noch 184 Mitglieder hatte und einen Alterdurchschnitt von 74 bis 78 Jahren, mochte da nichts unternehmen [hatte dem Bau zugestimmt] und dann merkte man aber schnell, dass andere Personen davon gar nichts wussten. Man musste einfach Öffentlichkeitsarbeit betreiben, mehr ließ sich da nicht machen. Und wir haben gesagt, wir benutzen die Friedenwerkstatt und unseren Stand dazu, um über das Projekt zu informieren. Ich hab dieses Vorhaben bei der Vorbereitung dieser Friedenswerkstatt, an der mehrere Mitglieder der Kirchenleitung teilnahmen vorgestellt, wo ich dann so Bemerkungen zu hören bekommen habe, ob ich jüdische Vorfahren hätte und was uns das überhaupt anginge. Und das fand ich also wirklich unter aller Kritik... also da fehlten mir echt die Worte, fehlen sie mir heute noch. Und dann haben wir uns überlegt, dass wir dazu nur eine Meinungsumfrage machen können, weil Unterschriften sammeln war streng verboten Und ich weiß noch, dass der Generalsuperintendent Günter Krusche deswegen einen Wutanfall kriegte, der wollte uns das untersagen. Und dann habe ich gesagt, das ist keine Unterschriftensammlung, das ist eine Meinungsumfrage, das sei ja wohl nicht verboten und dann wollte er den Rechtsanwalt Schnur [IM „Torsten“] holen, der da auch auf dem Kirchengelände Bausoldaten-Beratung machte, also vor dem Hintergrund der heutigen Geschichte super pikant, ja da kam also der Rechtsanwalt Schnur, ließ sich das zeigen, ich glaub wir hatten auch noch so ein Zettelchen, wo dieser Text drauf stand. Er sagt: „Ganz klar, Herr Krusche, das ist eine Meinungsumfrage und ich kann das nur begrüßen.“ Und das war uns natürlich ein inneres Hallensportfest. Wir haben dann auf der Friedenswerkstatt auch sehr viel Zuspruch bekommen und das Lustigste, fällt mir ein, dass dann jemand schrieb: „Man baut ja auch keine Autobahn durch die Opferstätte der Sozialisten in Friedrichsfelde.“ Es waren auch so witzige Bemerkungen dabei. Ja, was mich in dem Vorfeld dann auch noch mal sehr tief getroffen hat, das war die Meinung des Stadtjugendpfarrers Hülsemann der sagte: „Ach, ihr denkt wohl, ihr könnt da etwas bewirken, da könnt ihr gar nichts machen.“ Wir haben dann auch noch sehr viele andere Personen angerufen, von Stefan Heym bis Galinski, die davon alle gar nichts wussten. Natürlich war das auch sehr wichtig, weil West-Berlin ja keinen Jüdischen Friedhof hatte und die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde West-Berlin wurden ja auf diesem Friedhof auch beigesetzt [bis 1955]. Insofern ging das auch alle etwas an. Ja, wir haben dann also diese Eingabe geschrieben, diese Zettel dazu gepackt und abgeschickt [persönlich abgegeben beim Oberbürgermeister Krack]. Und dann war, glaube ich erst einmal Schweigen im Wald, wir haben ja auch nie eine Antwort bekommen….
Seltsamerweise gab es wegen des Jüdischen Friedhofs auch keine Gespräche im Betrieb, keine Maßregelung und dann haben wir eigentlich erst im September aus der Zeitung erfahren, dass Erich Honecker mit Vertretern der Jüdischen Gemeinde eine Begegnung hatte und dass den Vertretern der Jüdischen Gemeinde dieser Streifen Land zurückerstattet wurde, womit die Sache ein für alle Mal aus der Welt geschaffen war. Und ich bin dann zu Wolfgang Hülsemann gegangen und hab ihm das unter die Nase gehalten und da sagt er: „Ach, das war doch sowieso klar, da bildet euch bloß nicht ein, dass ihr da was gemacht habt.“ Das war mir noch mal eine, ja eine sehr wichtige Geschichte. Auf der einen Seite haben die Leute gesagt, ach so, seit wann interessiert ihr euch für Juden, demnächst seit ihr wohl für Schwule da oder so, also wir hatten genau den Finger in so ein Wespennest gestochen. Wir haben sehr deutlich, auch an dem Tag, als wir an dem Stand waren gemerkt, wie wenig diese ganze NS-Zeit aufgearbeitet ist und auf der anderen Seite, war das natürlich eine moralische Verpflichtung, dass man nicht zugucken darf, ganz egal was passiert, dritterseits auch so eine Befriedigung, man kann etwas machen...“


Es entstanden auch neue Initiativen und Gruppen, die andere Themen in den Vordergrund stellten. Ende 1985 sollte in Berlin-Treptow ein Menschenrechtsseminar unabhängiger Gruppen stattfinden, das auf staatlichen Druck durch die Kirchenleitung verhindert wurde. Daraufhin gründete sich im Januar 1986 die „Initiative Frieden und Menschenrechte“. Ich selbst habe die Frauengruppe nicht verlassen und weiterhin an Aktionen und Veranstaltungen teilgenommen, mein Schwerpunkt lag jedoch seit der Gründung der „Initiative Frieden und Menschenrechte“ dort. Durch die Repressalien, Festnahmen, Hausdurchsuchungen und Verhaftungen in den letzten Jahren wurde der unlösbare Zusammenhang zwischen Frieden und Menschenrechten immer deutlicher. Wer Frieden nach außen will, muss ihn erst einmal gegen die eigene Bevölkerung üben. Ein Staat, der jede frei geäußerte politische Meinung brutal unterdrückt und jede politisch selbstständige Initiative der Bürger im Keim erstickt, verachtet und misshandelt die Menschenrechte. Dass die DDR keine Absicht hatte, die Menschenrechte einzuhalten, belegen die politischen Paragraphen des Strafgesetzbuches der DDR.

Die „Initiative Frieden und Menschenrechte“ bekannte sich zur offenen Opposition unter dem ausdrücklichen Verzicht einer institutionellen Anbindung an die Kirche. Die Gründungsmitglieder hatten die Erfahrung gemacht, dass das „schützende Dach der Kirche“ auch erdrückend schwer sein konnte. Die Arbeit der „Initiative“ orientierte sich an der Idee der Zivilgesellschaft und den mittelosteuropäischen Demokratiebewegungen. Die Mitglieder der Initiative scheuten nicht davor zurück, ihre Ideen auch über westliche Medien zu verbreiten und die illegal im Untergrund produzierte Zeitung „Grenzfall“ herauszugeben, nur so war eine SED-kritische Gegenöffentlichkeit herzustellen. Die engen Spielräume, der DDR-Gesetze wurden genutzt. In Eingaben und Initiativen für Volksbefragungen wurde eine Gegenmeinung zur staatlichen Politik aufgebaut. In einer Meinungsumfrage unter Ausreiseantragstellern im Umfeld der Gruppe wurde die „Ausreise“ zum ersten Mal in der DDR öffentlich analysiert. Aber ohne die positiven und negativen Erfahrungen, die ich in der Frauengruppe gemacht hatte, wäre meine Geschichte ab 1986 bestimmt eine andere. Diese Erfahrungen waren wertvoll und inspirierend von der Gründung der „Initiative Frieden und Menschenrechte“ bis hin zur Gründung des „NEUEN FORUM“ im Herbst 89. Die Frauen haben nicht nur gelernt zu sprechen, sondern auch geschickt die staatlichen Machtstrukturen zu unterlaufen.

Es waren vor allem Frauen, die hinter mir standen

Meine zweite Verhaftung 1988, das halbe Jahr unfreiwilligen Aufenthalts in England und die der DDR-Staatsmacht abgetrotzte Rückkehr in die DDR im August 88 sind ohne die Unterstützung von Frauen in Ost und West undenkbar. Sie haben mir geholfen, standzuhalten. In dieser Zeit spielte das Thema Ausreise eine immer größere Rolle. Nicht wenige Freunde aus der unabhängigen Friedensbewegung glaubten, dass ich weder in die DDR zurückkommen wollte noch würde. Die Zahl der Antragsteller auf Ausreise aus der DDR hatte sich sprunghaft erhöht. Die Antragsteller hatten begonnen sich zu organisieren, aber immer noch gab es in den Gruppen viele, die glaubten, dass der Weg in den Westen über die Mitarbeit in einer der vielen Frieden-, Menschenrechts- oder Ökologiegruppen kürzer wäre. Es war also nur verständlich, wenn mein Wunsch nach Rückkehr für viele unglaubwürdig war. Warum haben mir mehr Frauen als Männer geglaubt? Vielleicht, weil nur sie wussten, was wir in den letzten Jahren investiert und riskiert hatten. Jede wusste wie viel Zeit und Energie, die den Kindern, dem Beruf, der Familie, den Frauen selbst fehlte, die Mitarbeit in der unabhängigen Friedensbewegung gekostet hatte. Ich konnte nicht einfach weggehen, ohne dass ich auch etwas erreicht hatte. Der Preis war zu hoch gewesen, als dass ich einfach die Zelte hinter mir abrechen konnte. Mit zu vielen Menschen hatten wir lebenswichtige Zukunftsfragen diskutiert, sie aufgefordert, sich uns anzuschließen.


Wir hatten viele andere zum Risiko ermuntert. Ich konnte deshalb nicht, ohne mich als Verräterin zu fühlen, aus der Ostgegenwart aussteigen, um in der Westgegenwart zu landen. Viele Frauen, nicht nur die aus unserer Frauengruppe, sondern auch viele aus dem Westen, haben das verstanden. Frauen aus dem Osten haben sich während meiner Abwesenheit um meine Wohnung gekümmert, Briefe geschrieben, telefonierten und taten alles, um unsere Wiedereinreise zu erreichen. Viele Frauen aus dem Westen, vor allem Petra Kelly und Birgit Voigt von den Grünen, haben uns politisch, ideell und materiell unterstützt. Bei Birgit habe ich zwei Monate gewohnt, sie fuhr fast jede Woche mit mir nach Bonn, um mich bei vielen Gesprächen zu begleiten. Petra hat wichtige Gesprächskontakte zu Politikern wie Oskar Lafontaine, Willy Brandt oder zu den verschiedenen Fraktionen im Bundestag, zu Journalisten, Künstlern und vielen anderen Menschen hergestellt, denn wir brauchten Solidarität, um unserem Anliegen, der Wiedereinreise in die DDR, Nachdruck zu verleihen. Sie hat alles Menschenmögliche getan, um die Öffentlichkeit für unser Problem zu sensibilisieren, was ihr in der eigenen Fraktion an schwersten fiel, denn für viele Grüne war die DDR das gelobte Land, in dem es keine Menschenrechtsverletzungen und keine Gefängnisse gab. Wer da rausflog war selbst daran schuld. Gleichzeitig organisierte sie einen Sprachkurs in England für mich, besorgte Farben und Papier und zeigte mir die Museen in Paris. Natürlich haben auch Männer sich für uns stark gemacht. Aber für sie war es eine „politische Aufgabe“, die zu lösen war, für die Frauen vor allem eine menschliche. Vielleicht war deshalb ihre Hilfe teilnehmender und mitfühlender. Am 3. August 1988 kehrte ich in die DDR zurück.

Die letzte Frauenweihnachtsfeier fand 1988 statt. Bis dahin gab es zwar immer wieder gemeinsame Aktionen und Veranstaltungen, die Treffen waren aber schon längst nicht mehr so häufig und intensiv wie in den Jahren bis 1986.
Die Berliner Frauen waren einerseits erschöpft durch die Intensität ihres Engagements innerhalb der unabhängigen Friedensbewegung. Das „Fünf-Minuten-vor-Zwölf-Gefühl“ erzeugte einen enormen Problemdruck. Andererseits waren sie deprimiert, weil weiterhin wichtige Frauen, wie die Pastorin Christa Sengespeik, in den Westen ausgereist waren, Jede Frau hinterließ eine Lücke. Andere Frauen hatten sich zurückgezogen, wieder andere sich frauenspezifischen Themen zugewandt oder einer der neu entstandenen Gruppen angeschlossen. Ich habe das nie bedauert, sondern immer als ein positives Ergebnis unserer Arbeit gesehen. Dass Interessen auch wieder auseinander gehen ist normal. Wir waren erwachsen geworden und jede von uns hatte ihren eigenen Weg gefunden. Aber keine war dieselbe wie am Anfang dieses Weges. Aus dem Protest einiger Frauen gegen das neue Wehrdienstgesetz hatte sich in kurzer Zeit ein überregionales Netzwerk von unabhängigen Frauenfriedensgruppen entwickelt. Aus dem ZOV (Zentral Operativer Vorgang) „Wespen“, in dem die Frauen von der Staatssicherheit seit Juni 1985 bearbeitet wurden, geht hervor, dass es 1985 DDR-weit 14 Gruppen mit etwa 150 Mitgliedern in den Städten Berlin, Leipzig, Halle, Magdeburg, Erfurt, Weimar, Jena, Dresden, Karl-Marx-Stadt, Gera, Greifswald, Weißenfels, Schwerin und Eisenach gegeben hat.


Besonders mutig fühlte sich keine von uns

Manchmal frage ich mich, wie ist dieser oder jener Mensch das geworden, was er ist. Die Lebensgeschichte erklärt einiges, aber oft nicht alles. Die Biographien vieler Menschen ähneln sich und trotzdem sind die Menschen sehr verschieden. Jede Frau, die in einer der unabhängigen Gruppen „Frauen für den Frieden“ mitmachte, hatte ihre eigene Geschichte und ihre eigenen Motive. Alle zusammen wollten, dass ihre Ängste, ihre Meinungen zu Fragen von Gewalt, Krieg und Frieden nicht kriminalisiert, sondern ernst genommen und gehört werden. Das war unser gemeinsames Anliegen. Besonders mutig fühlte sich keine von uns, eher wollten wir schlau sein wie die Schlangen. Was uns auch manchmal gelungen ist. Mut war nie ein Thema unter uns. Wir akzeptierten, dass jede Frau selbst entschied, welches Risiko sie einging oder nicht, an welcher Aktion sie sich beteiligte oder was sie unterschrieb. Es gab natürlich auch heftige Diskussionen und Auseinandersetzungen unter uns. Eine Frage, die immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten führte, war, wie gehen wir mit der Öffentlichkeit um. Nutzen wir auch die westlichen Medien? Denn fast jeder in der DDR sah die Tagesschau, aber nur wenige lasen die Kirchenblättchen. Meistens verhielten wir uns auch in dieser Frage individuell. Wer glaubte, dass Kontakte zu Westjournalisten gefährlich waren, vermied sie, wer glaubte, dass sie unvermeidbar waren, um die Öffentlichkeit zu erreichen, suchte sie.

Mut wächst meist ohne dass man es bemerkt. Wenn er in einer existentiellen Situation plötzlich da ist und einem die Freiheit zu selbst bestimmtem Handeln gibt, ist man sehr überrascht. Die Gedanken, die in den schlaflosen Nächten kommen und sich nicht vertreiben lassen, sind ein starker Impuls für späteres Handeln. Man möchte etwas tun. Aber was? Wenn man in einer solchen Situation Menschen kennen lernt, die ähnlich denken und fühlen, dann ist man aufgehoben und stark in der Gemeinschaft. Die Frauen, die sich in den unabhängigen Friedensgruppen engagierten, waren überwiegend zwischen 25 und 40 Jahre alt. Die meisten hatten Familie. Obwohl viele allein erziehende Mütter dabei waren, hielt sie das nicht ab, sich dem Risiko einer Verhaftung auszusetzen. Sie wagten alles, weil sie überzeugt waren, dass nur ein „Frieden ohne Waffen“ Frieden schaffen würde. Diese Einsicht und ihr Gewissen ließ sie verantwortlich handeln. Sie fanden den Mut zur Wahrhaftigkeit, offenbarten ihr Gesicht, zeigten wer sie waren, woher sie kamen und was sie wollten. Nichts entlarvte die offiziellen Friedensbeteuerungen der DDR mehr als Propaganda und bloßes Gerede wie die staatlichen Reaktionen auf die unabhängige Friedensbewegung. Besonderen Respekt verdienen die Frauen, die sich einfach solidarisch verhielten, wenn eine Frau wegen ihrer politischen Haltung und Mitgliedschaft in einer der Friedensgruppen besonders malträtiert wurde. Diese Frauen haben keiner der Gruppen angehört, aber ihre Sympathie für die „Frauen für den Frieden“ nicht verschwiegen und öffentlich bekundet.

Annemirl Bauer: Erinnerung an eine Unbeugsame

Annemirl Bauer, Malerin und wie ich, Mitglied im Verband Bildender Künstler, war eine solche Frau. Viele Künstler gerieten ins Visier der Stasi, weil sie als Dissidenten im Land oder im Westen bekannt waren. Die Zahl derjenigen, die im Stillen wirkten und in der sozialistischen Kunst- und Kulturöffentlichkeit weitgehend unbekannt waren, aber trotzdem nicht schwiegen, wenn sie Unrecht und Willkür sahen, ist weitgehend unbekannt. Eine von ihnen war Annemirl Bauer. Sie machte kein Geheimnis daraus, dass sie zweimal als IM angeworben werden sollte, was sie jedes Mal konsequent abgelehnt hat. Immer wieder kritisierte sie bei Treffen des Verbands Bildender Künstler die ungerechte Vergabe von Aufträgen, die willkürliche Praxis für die Erteilung von Reisegenehmigungen für bildende Künstler in das nichtsozialistische Ausland und die angepasste Juryarbeit von Kollegen bei Ausstellungen. Die Eingabe der Frauen gegen das neue Wehrdienstgesetz hatten auch einige meiner Kolleginnen unterzeichnet. Auch mit diesen wurden Gespräche im Verband geführt, um sie zur Rücknahme ihrer Unterschrift zu bewegen. Ich selbst war 1982 dort Mitglied der Berliner Sektionsleitung Malerei. Da ich als eine „Drahtzieherin“ der Eingabe galt, sollte ich aus dem Verband ausgeschlossen werden, was einem Berufsverbot gleichgekommen wäre. Nur meine Verbindungen in den Westen bewahrten mich davor, ich wurde lediglich aus der Sektionsleitung „abgewählt“. Während mehrerer Verbandssitzungen setzte sich besonders Annemirl Bauer für mich ein. 1984 forderte sie sogar wieder meine Aufstellung als Kandidatin für die Sektionsleitung. Während mich meine Kontakte zu Petra Kelly und den Grünen vor einem Verbandsausschluss bewahrten, geriet Annemirl Bauer immer mehr in das Visier der Stasi. In mehreren Eingaben forderte sie Reisefreiheit für alle DDR-Bürger und erhob immer wieder in dieser Frage ihre Stimme. An ihr sollte ein Exempel statuiert werden, da der Verband einen „politischen Erfolg“ brauchte, denn ähnlich dachten viele Verbandsmitglieder. Dies war besonders infam, weil sie weder die Rückendeckung von Freunden im Westen noch den Halt in einer Gruppe, wie der „Frauen für den Frieden“ hatte. In ihrer Kunst bot sie stilistisch und inhaltlich kaum Angriffsmöglichkeiten. Durch ihre angeborene Schwerhörigkeit war sie zusätzlich beeinträchtigt und konnte sich schlecht verteidigen, da sie nicht alles verstand. Trotzdem wurde sie zeitweise aus dem Verband ausgeschlossen, ihr wurden beruflich und privat alle nur möglichen Steine in den Weg gelegt, ihre Arbeitsräume wurden gekündigt, sie erhielt fingierte Steuerrückzahlungsforderungen. 1986 wurde sie zwar nach heftigem Kampf wieder in den Verband aufgenommen, aber die „Zersetzungsmaßnahmen“ wurden nicht eingestellt. Eine Räumungsklage und Einbrüche in Wohnung und Arbeitsräume ließen sie nicht zur Ruhe kommen und zermürbten ihre Kreativität. Annemirl Bauer war eine Einzelkämpferin. Sie steht für viele, die den Mut fanden, staatliche Entscheidungen in Frage zu stellen und Reisefreiheit als Menschenrecht einklagten. Den Fall der Mauer hat sie nicht mehr erlebt. Im Sommer 1989 starb sie an Krebs.
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„Möglicherweise, ist das Besondere des Mutes der Frauen, dass sie ohne auf das Ergebnis zu schauen, handelten, als es für sie notwendig – also Not-wendend – war. Sie waren schließlich nicht ein Teil einer politischen Männerkultur, in der vorwiegend aus der Gewissheit der Überlegenheit kalkulierend gehandelt wird und im Fall der Unterlegenheit ein ganzes Arsenal von Ausreden parat steht“.
(Vortrag des Berliner Theologen Ehrhart Neubert)
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Erst, wenn das Geschehen der Geschichte angehört, werden die Knie weich. Sören Kierkegaard schrieb über Helden:
„Wenn auch der Erfolg die ganze Welt erfreuen kann, dem Helden kann er nicht helfen; denn den Erfolg bekam er erst zu wissen, als alles vorbei war; und nicht dadurch wurde er ein Held, sondern dadurch, dass er anfing.“ (Kierkegaard, Sören: Religion der Tat, Leipzig 1911, S.200).


Woher kam der Mut von den Frauen in der Opposition?

Ich habe immer Frauenmut bewundert. Meine kleine Schwägerin Heidi, die sich ihr ganzes Leben durch die DDR-Realität gebissen hat, was hat sie stark gemacht? Oder Katja Havemann, die Robert zehn Jahre begleitete durch Bespitzelung und Repression, während der Verhaftung von Jürgen Fuchs, der damals in seinem Haus in Grünheide bei Berlinwohnte, während der Ausweisung Wolf Biermanns, der Roberts bester Freund war, während des Hausarrestes und der Zeit danach? Oder Irena Kukutz, die in der Frauengruppe mitarbeitete und trotzdem den Kontakt zu ihrem Vater, der Mitarbeiter der Staatssicherheit war, nicht verlieren wollte? Woher hatte sie die Kraft für diesen Spagat? Fast bei jeder Frau stellt sich die Frage: Woher kam die Kraft, woher kam der Mut?

Repressionen gegen Frauen gab es mehr als genug. Die Liste reicht von Bespitzelungen unter Freundinnen, sogar Eheleuten über Zersetzungsmaßnahmen bis hin zu Ausweisungen, Reise-, Berufsverbote, vorübergehenden Festnahmen und Verhaftungen. Die Folgen unseres Engagements waren absehbar, aber wir haben sie oft weggelacht. Vielleicht war es auch das Lachen, das Kraft gab. Selbst bei Festnahmen verhielten sich Frauen anders als Männer. Sie waren weniger aggressiv, wollten nicht mutig wie die Männer sein, sie verhielten sich pragmatischer, nervten die Vernehmer, indem sie immer wieder darauf pochten, jetzt nach Hause zu müssen, um die Kinder vom Kindergarten abzuholen. Frauen sahen in ihren Bedrängern nicht nur die überlegenen Konkurrenten, sondern auch aufgeblasene und schwache Männer. Angelika Schön protokollierte aus einem Verhör an einem Sonntag 1988: „Er hatte Schnupfen und gehörte eigentlich ins Bett, das sagte ich ihm auch. Im Verhör sang sie an heiklen Stellen plötzlich Kirchenlieder, um sich ein wenig Luft zum Nachdenken zu verschaffen. Sie sang das Kirchenlied „Großer Gott wir loben dich“, und begründete das mit „Jetzt ist eigentlich Gottesdienst.“ Ich selbst bestand bei meiner Verhaftung 1988 darauf, dass ich unbedingt meine Strümpfe und meine Unterhose waschen müsse, weil es weit nach Mitternacht wäre und wohl klar sei, dass ich hier so schnell nicht herauskommen würde, ich aber jeden Tag neue Strümpfe anzöge. Zu meiner Überraschung durfte ich das auch. Die Art und Weise, wie Frauen verletzt worden sind, gerade weil sie Mutterwitz und eine größere Leichtigkeit im Umgang mit den Vernehmern hatten, weil sie pragmatischer, entkrampfter waren als Männer, ist noch zu untersuchen. Es hätte natürlich alles viel schlimmer kommen können, andere haben für ein paar Witze Jahre hinter Gittern verbringen müssen. Für einen Fluchtversuch wurde eine Freundin vier Jahre in Burg Hoheneck inhaftiert. Berlin-Hohenschönhausen, Magdalenenstraße, Hoheneck, Bautzen, Brandenburg, Torgau, der „Rote Ochse“ in Halle, die „Runde Ecke“ in Leipzig…, die Möglichkeit in einem dieser Gefängnisse für Jahre zu verschwinden war überaus groß. Aber diese bittere Erfahrung ist uns erspart geblieben.

Wir wollten eine Gegenmacht von unten sein

Die Verletzungen, die wir trotzdem erlitten haben, werden wahrscheinlich erst sichtbar, wenn man unsere Lebenswege nach 1989 genauer betrachtet. Die Frauen sind heute in den unterschiedlichsten Positionen gelandet. Einige sind in ihren Beruf zurückgegangen, haben Ämter in den neuen Institutionen übernommen, andere sind auf verschiedenen politischen Ebenen aktiv. Einige haben Vereine gegründet, Projekte aufgebaut, um die Geschichte der Bürgerbewegung, wichtiger Oppositioneller oder die Geschichte ihrer Stadt zu dokumentieren. Andere sind nach Osteuropa oder in andere Gefilde gegangen, um soziale Projekte aufzubauen. Interessant sind die Frauen, die eigentlich eine Affinität zur SED hatten und jetzt bei kirchlichen Institutionen arbeiten. Oder andere, die bei der Kirche arbeiteten und sich nach 1989 anderweitig orientierten. Frauen, die den Grünen oder der SPD nahe standen, sind in andere Parteien gewechselt oder heute parteilos. Diese Neuorientierungen sind vermutlich nicht nur ein Ergebnis der neu gewonnenen Freiheit, sondern auch enttäuschter Hoffnungen nach 1989. Die Maßstäbe der ehemaligen DDR-Oppositionellen sind bei vielen, vor allen bei denen, die heute mit Politik ihr Brot verdienen, andere geworden, darin gleichen wir den Grünen. Was vor 1989 als Stärke ausgelegt wurde, soll heute Schwäche sein. So endet meine Biografie in einem Lexikon über „Opposition und Widerstand in der SED-Diktatur“ mit der lakonischen Bemerkung, dass ich mich 1991 aus der aktiven Politik zurückgezogen hätte. Geschrieben wurde sie von einem früheren Mitglied der „Initiative Frieden und Menschenrechte“, das die Jahre seit dem Mauerfall in dem Bundestagsbüro eines grünen Abgeordneten verbracht hat. Zwischen den Zeilen des biografischen Textes ist im Grunde der Vorwurf zu lesen, dass ich mich nicht im Bündnis 90/Die Grünen engagiert habe, denn ansonsten habe ich auf dieselbe Weise Politik betrieben wie in den Jahren zuvor. Natürlich sind einige meiner Aktivitäten nach 1989 heftig kritisiert worden, zum Beispiel der Besuch des Bundeskanzlers Helmut Kohl in meiner Berliner Wohnung oder meine Unterstützung der FDP im Berliner Wahlkampf. Aber unpolitisch war beides nicht und hat auch etwas bewirkt: Noch heute gibt es das bei diesem Treffen initiierte überparteiliche Bürgerbüro, in dem seit 1996 viele Opfer des SED-Regimes beraten und juristisch betreut wurden und werden.


Früher waren wir der Meinung, dass es möglich sein muss, Politik auch außerhalb der Parlamente aktiv mitzugestalten. Das wollten wir ja auch in der DDR. Ich kann mich nicht erinnern, dass einer von uns vor 1989 den Wunsch hatte, in der Volkskammer zu sitzen. Wir wollten Politik beeinflussen, wollten, dass die Betroffenen, die auch immer Sachverständige sind, gehört werden, wollten eine Gegenmacht von unten aufbauen. Kurz, wir wollten eine gewaltfreie, demokratische Gesellschaft, in der Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit garantiert sind. Die Welt ist nach 1989 kleiner geworden. Wir haben mehr Informationen und wissen, wo und was überall in der Welt Frauen an Friedensarbeit leisten: Sie beschaffen Medikamente und Nahrung. Sie bauen zerstörte Häuser wieder auf und suchen nach Vermissten. Sie pflegen und unterrichten verwaiste Kinder oder halten öffentliche Mahnwachen gegen den Krieg. Mutig und unermüdlich kämpfen Frauen überall auf der Welt für den Frieden: im Irak, in Aserbeidschan, im Kosovo, im Sudan, in Russland, in Tschetschenien oder in Afghanistan. Auch außerhalb von Konfliktgebieten engagieren sich Frauen für eine friedliche Zukunft. Sie bekämpfen die Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen in Afrika oder die politischen Willkürsysteme in Südamerika. Sie setzen sich für Gleichberechtigung und bessere Bildungschancen von Frauen ein. Sie bekämpfen Zwangsprostitution und Kindesmissbrauch. Die Zahl dieser "Friedensfrauen" ist groß - aber wer kennt sie? Sie arbeiten im Hintergrund, die Öffentlichkeit lernt sie kaum kennen und würdigt fast nie die Verdienste ihrer Arbeit.


Ich selbst bin 1996 nach Bosnien gegangen, um bei der Rückkehr von Kriegsflüchtlingen zu helfen. Heute lebe ich in Kroatien. Gemeinsam mit Freundinnen habe ich 1999 den kleinen Verein Seestern e.V. gegründet, der seitdem jährlich vielen Kindern aus dem ehemaligen Jugoslawien einen für ihre meist mittellosen Familien kostenlosen Sommerferienaufenthalt am Meer ermöglicht. Die schrecklichen Erfahrungen in Bosnien waren sehr wichtig für mich. Die zögerliche Politik der europäischen Länder, des Gewaltverzichtes und des bloßen Zuschauens hat Tausenden das Leben gekostet, weil diese sich nicht verteidigen konnten. Deshalb glaube ich nicht mehr an eine pazifistische Politik, wie sie die Grünen propagierten. Zwar kann ich persönlich an pazifistischen Idealen festhalten, aber notfalls müssen die Menschenrechte auch mit Waffen verteidigt und zur Geltung gebracht werden. Es ist zynisch, wenn Menschen in äußerster Not „Sonnenblumen“ vorgehalten werden. Die Diskussion über die Frage, wie in einer globalisierten Welt der globalisierten Gewalt gewehrt werden kann, ist eine Herausforderung für alle, die sich einmal in der Friedensbewegung engagiert haben. Die Grünen haben darauf auch keine Antworten, sie sind inzwischen eine ganz normale Partei, die sich um der Macht willen am Pragmatischen und Machbaren orientiert und eine politische Friedensethik mit einer realistischen Politik nicht miteinander verknüpft. Waffenhandel ist kein Sakrileg mehr, wenn die Staatskasse gefüllt wird. Keine öffentliche Kritik am Koalitionspartner, der den kubanischen Diktator Fidel Castro umarmt oder in Putin einen „lupenreinen Demokraten“ sieht. Petra Kelly würde heute auf noch mehr Widerstand in der eigenen Partei stoßen, denn sicher würde sie Bündnis90/Die Grünen noch heftiger als zu ihren Lebzeiten kritisieren. Die demokratischen Bürgerbewegungen Osteuropas haben zwar die kommunistischen Diktaturen überwunden, aber zu wenig die politische Kultur Westeuropas bewegt und verändert. Die Dynamik der Transformationsprozesse hat zuviel Energie verbraucht, zuviel eigene Ideen vergessen lassen, zuviel Tatkraft gebunden. Eine an den Menschenrechten orientierte „liebevollere, ehrlichere, freundlichere Politik“, die ganz auf die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen ausgerichtet ist, existiert immer noch nicht.

Doch trotz aller Rückschläge bin ich nicht pessimistisch. Seit 1989 hat sich in Europa und in vielen außereuropäischen Ländern gezeigt, dass sich auf Dauer die Zivilgesellschaften nicht durch eine manipulierte Machtpolitik beherrschen lassen. Die Geschehnisse in Georgien, der Ukraine, im Libanon, in Kirigisien, in Kuba und China, dass diese Bewegung weitergeht. Vielleicht haben die Frauen in diesen Prozessen eine besondere Bedeutung. Sie haben nichts zu verlieren, können aber vieles gewinnen.

 

Bärbel Bohley und ihr jüngerer Bruder Ulrich

   Als Kinder in den Ruinen von Berlin-Mitte

Foto: Privat Bärbel Bohley

 

Bärbel Bohley 12 Jahre alt

   1957

Foto: Privat Bärbel Bohley

 

 

 Bärbel Bohley als Studentin an der Kunsthochschule Weißensee 1969

Foto: Privat Bärbel Bohley

 

Bärbel Bohley nach ihrer Verhaftung 1983 in der

Stasi-U-Haft-Anstalt Berlin-Hohenschönhausen

Foto: BSTU

 

 

Bärbel Bohley als Aktivistin der „Frauen für den Frieden“

Bei einer Protestaktion für Abrüstung 1983

Foto: Matthias-Domaschk-Archiv der DDR-Opposition

 

Foto: Matthias-Domaschk-Archiv der DDR-Opposition

 

Foto: Matthias-Domaschk-Archiv der DDR-Opposition

 

Foto: Matthias-Domaschk-Archiv der DDR-Opposition

Bärbel Bohley und die Grünenpolitikerin Petra Kelly 1991,

im Hintergrund Gert Bastian.

Foto:  Kurtsdotter, Rückertstraße 4, München, Telefon 089/ 534303  (Copyright-Angaben von 1991)

 

 

 


Die DDR-Bürgerrechterinnen Bärbel Bohley (r.) und Katja Havemann , Witwe des

DDR-Dissidenten Robert Havemann.

Foto: Privat Bärbel Bohley

 
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